Full text: [Abteilung 1 = Unter-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 1 = Unter-Tertia, [Schülerband])

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strömt, war erst im Anbrechen begriffen — es dämmerte, und aus der 
Dämmerung heraus ertönten leise und unsicher einzelne Stimmen. Darin 
lag zum großen Teil der Grund, daß der vaterländischen Litteratur so 
wenig Beachtung geschenkt ward. Die Gelehrten hatten es am liebsten 
mit den römischen und griechischen Klassikern zu thun, und die Staats— 
männer und Politiker schämten sich fast ihrer Muttersprache und be— 
dienten sich im Verkehr nicht nur mit ausländischen Politikern, sondern 
auch unter sich, ja sogar am Familientische, der französischen Sprache. 
In vornehmen Häusern hatten französische Bonnen und Hofmeister dafür 
zu sorgen, daß die Kinder eher Französisch als Deutsch lernten. Dem 
großen Preußenkönig Friedrich war es in seiner Kindheit genau ebenso 
ergangen. Das Deutsch, das er vernommen hatte, war zumeist die Aus— 
drucksweise der untersten Dienerschaft, der Stallknechte und Ofenheizer 
gewesen, die auch von Personen hohen Ranges, wenn diese sich der 
Dienerschaft verständlich machen wollten, in Anwendung gebracht wurde; 
und je gewandter sich nun Friedrichs Erzieher, geistreiche und liebens— 
würdige Personen, in der französischen Sprache zu äußern verstanden, 
um so ungeschlachter war ihm — konnte es denn anders sein? — die 
Ausdrucksweise seiner Muttersprache erschienen. 
Kann es verwundern, daß solche Art der Erziehung, die sogenannte 
vornehme und die gelehrte, in der Menge die Liebe zum Stammesvolke 
in der Wurzel schädigte? Nur markig und tief angelegte Geister konnten 
derartigen Einwirkungen gegenüber gesund im Kerne ihres Wesens bleiben. 
Von Friedrich dem Großen und von Lessing kann gesagt werden: 
sie entwickelten sich beide trotzdem und alledem zu echten deutschen Männern; 
einem jeden von ihnen gebührt ein Platz in der Vorderreihe der deut— 
schen Heroen. 
Als Lessing Sekundaner war, bot sich ihm damit ein großer Vorteil 
dar, daß einer der Lehrer, Namens Klimm, ihm neben den Unterrichts— 
stunden Belehrung zu teil werden ließ. Die Welt steckt voll von geistigen 
Schätzen — ist nur der rechte Sinn da, so führt er auf die Mittel, sie 
zu heben, mögen Menschenseelen oder Bücher, oder mag die Natur sie 
bergen. In den Inspektionsstunden, die Klimm abzuhalten hatte, ge— 
schah es, daß Lessing Fragen an ihn richtete, und die Haltung, die der 
nach Erkenntnis dürstende Jüngling dabei beobachtete, wie auch das helle 
Aufleuchten seines inneren Wesens, das sich in den Fragen kund that, 
regten den an und für sich schon zu fördernder Mitteilung geneigten 
Mann nur um so mehr an, aus seinen reichen Schätzen mit vollen 
Händen darzubieten. Da geschah es denn nicht selten, daß Lessing und 
einige seiner jungen Freunde des Meisters Worten bis um Mitternacht 
lauschten. Dann erst suchten Meister und Schüler beglückten Herzens 
ihre Lagerstätten, und wenn Lessing es als ein Glück pries, einem solchen 
Lehrer zu Füßen sitzen zu können, so mochte dieser vielleicht denken, es
	        
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