Eltern ihre Kinder, die Kinder ihre Eltern entbehren! Was soll aus
dem Familienleben werden ohne die Familiengemeinschaft am Sonn¬
tag? Ihr, die ihr noch das Familienglück für das schönste irdische
Glück haltet, ihr sollt auch den Sonntag halten als das beste Mittel,
5 dies Glück zu bewahren und zu mehren.
5. Freue dich des Sonntags, weil er Gottes Haus dir öffnet.
Wie dein Heiland mußt du sein in dem, was deines Vaters ist. Dort
hörst du Gottes Wort, findest du Gottes Volk, singst du Gottes Lob.
Der Sonntag macht die Woche, die Kirche macht den Sonntag. Wenn
10 die Sonne des Sonntags scheint, dann muß es in deinem Herzen
rufen: „0, wie ruft die Glocke so laut! Wie tönt die Orgel so hehr!
Wie schallt der Gesang so schön! Wie mahnt das Wort so stark:
,Tut mir auf die schöne Pforte! Führt in Gottes Haus mich ein!
0, wie wird an diesem Orte meine Seele selig sein'/"
15 6. Achte nicht gering die Bedeutung des Sonntags für deinen
irdischen Beruf. Das Leben hienieden, wenn’s köstlich ist, so ist’s
Mühe und Arbeit. Wieviel Seufzer werden in der Mühe und Arbeit
laut: „Länger kann ich die Last nicht tragen! Es ist kein menschen¬
würdiges Dasein, das ich führe! Es ist ein Sklavenleben, ein Hunde-
20 leben!" Was soll aus dem irdischen Berufe werden, wenn er mit
solchem Mißmut, solcher Erbitterung erfüllt wird, wenn die Gedanken
von der Arbeit, die vor der Hand liegt, abschweifen, um andre, die
es besser haben, zu beneiden, um das Geschick, daß es so grausam
ist, anzuklagen? Ein Sonntag nach der Last der Woche, ein Tag
25 des Atmens in der Freiheit der Kinder Gottes — das gibt wieder
Liebe und Lust —, und Lust und Liebe sind die Fittiche zu den
Taten des Berufs.
7. Auch den Tieren, die für dich arbeiten, gönne den Sonntag.
Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes. Und der Sonntag soll
30 seine liebliche Stille auch dem Garten und Acker, der Wiese und
dem Walde geben. An dem Ruhetag, den Gott geschickt, greife
nicht zu Spaten und Pflug, zu Sense und Axt. Nicht der Lärm der
Arbeit werde draußen gehört: durch die Stille schalle nur der
Glockenklang und der Orgelton von der Kirche her, und zum Ge-
35 sänge der Vögel geselle sich das fromme Lied der Menschen und
zum Murmeln des Baches das trauliche Gespräch glücklicher Familien.
8. Ihr Hausfrauen, für den Sonntag rüstet am Sonnabend schon
das Haus. Wenn der Mann von der schweren Wochenarbeit heim¬
kehrt: er finde die Küche blank, die Stube rein, das Sonntagskleid
40 in Ordnung und um den Tisch her mit der Mutter die Kinder zu
inniger, traulicher Vorfeier des heiligen Tages.
9. Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott dem Vater
ist der: die Witwen und Waisen in ihrer Trübsal besuchen und sich