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Haus“ wurde. Außer dem Rettungshaus für Kinder ist da eine
Anstalt zur Ausbildung junger Männer (Diakonen), die sich dem
Dienste in Krankenhäusern, Rettungsanstalten, Gefängnissen, Herbergen
u. s. w. widmen wollen. Mehr genannt werden in unsrer Provinz
die Anstalten zu Kaiserswerth am Rhein, die Bodelschwingh-
schen Anstalten zu Bielefeld und das Hallische Waisen¬
haus. Nach den Fliegenden Blättern ans dem Banden Hause.
17. Das Hallische Waisenhaus.
1. In Halle an der Saale steht ein hohes Gebäude, das über
seinem Eingang die Inschrift trägt: „Die auf den Herrn harren,
kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler.“ Jes.
40, 31. Dieser Eingang führt durch das Vordergebäude in einen
sehr langen Hof, in eine wahre Straße, auf deren beiden Seiten
hohe Häuser stehn. Hier erblickt man ein Waisenhaus für arme
Kinder, eine Erziehungsanstalt für Kinder aus hohem Ständen, zwei
Buchdruckereien, eine große Buchhandlung, viele Wirtschaftsgebäude,
Gärten und dergleichen.
2. Alles dieses ist erwachsen aus der gesegneten Glaubensarbeit
des armen Predigers und Professors August Hermann Francke, ge¬
boren in Lübeck im Jahre 1663. Dieses Waisenhaus mit allen damit
zusammenhängenden Gebäuden und Anstalten hatte einen gar kleinen
Anfang. Es ging damit folgendermaßen zu. An jedem Donnerstag
kamen Arme aus Franckes Gemeinde in das Pfarrhaus. Statt ihnen
bloß Almosen in Brot oder Geld zu reichen, sprach er mit ihnen
über christliche Wahrheiten und schloß jedesmal mit einem Gebet.
Weil er selber arm war, so entzog er sich eine Zeitlang das Abend¬
essen, um Geld für die Armen zu erübrigen. Im Jahre 1695 hing
er in seiner Wohnstube eine Armenbüchse auf und ließ oben darüber
den Spruch schreiben: „Wenn jemand dieser Welt Güter hat und
siehet seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie
bleibet die Liebe Gottes in ihm?“ und darunter die Worte des Paulus:
„Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ Nach Verlauf eines Viertel¬
jahrs gab eine Person auf einmal 7 Gulden hinein. „Als ich dies
in die Hände nahm,“ so erzählt er selbst, „sagte ich mit Glaubens¬
freudigkeit: Das ist ein ehrlich Kapital, davon muß man etwas Rechtes
stiften, ich will eine Armenschule damit anfangen. Ich besprach mich
nicht darüber mit Fleisch und Blut, sondern fuhr im Glauben zu und
machte noch desselben Tages Anstalt. Es wurden für zwei Taler
Bücher gekauft und an arme Kinder verteilt, ein armer Student
mußte ihnen täglich zwei Stunden Unterricht geben. Die Bettelkinder
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