Full text: [Theil 3, [Schülerbd.]] (Theil 3, [Schülerbd.])

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Daß sie die Wäscherinnen sahen an dem Strande; 
Da wurden sie wohl inne, daß sie wollten fliehn von den Gewänden. 
Sie sprangen aus der Barke und riefen ihnen nach: 
„Ihr schonen Wäscherinnen, warum ist euch so jach? 
Wir sind fremde Leute, das mögt ihr an uns spüren: 
Scheidet ihr von hinnen, die reichen Kleider werdet ihr verlieren." 
Mit gesträubten Haaren kamen sie heran. 
Zwar ihnen beiden waren die Häupter wohlgethan, 
Doch sah man ihre Locken zerzaust vom Märzenwinde; 
Ob es regnet' oder schneite, weh war dem armen Ingesinde. 
Herwig, der Edle, ihnen guten Morgen bot! 
Wohl wär' den Heimatlosen ein guter Morgen noth. 
Bon ihrer bösen Meisterin hörten sie nur Schelten; 
Guten Morgen! Guten Abend! kam den minniglichen Maiden selten. 
Laßt es euch nicht verdrießen und nehmet unser Gold, 
Guter Spangen viere; das sei euer Sold, 
Daß ihr, schöne Frauen, uns Kunde möget sagen. 
Wir geben sie euch gerne, daß ihr Bescheid uns gebt auf unsre Fragen." — 
„Gott lass' euch eure Spangen selber wohlgedeihn! 
Wir nehmen nichts zu Lohne," sprach das Mägdelein; 
„Fraget, was ihr wollet, wir müssen schnell von hinnen; 
Säh' man uns mit euch reden, das wär' mir leid von Herzen und von 
Sinnen." — 
„Wem ist dieses Erbe und dieses reiche Land, 
Dazu die guten Burgen? Wie ist er genannt, 
Der euch in schlechten Kleidern läßt so schmachvoll dienen? 
Wollt' er auf Ehre halten, euch anders zu behandeln würd' ihm ziemen." 
Sie sprach: „Der Fürsten einer heißet Hartmuth; 
Dem dienen weite Lande und feste Burgen gut; 
Der andre heißet Ludwig von Normandie, der Reiche. 
Ihnen dienen viel der Helden; sie sitzen ruhmvoll hier in ihrem Reiche." 
Da sprach der König Herwig: „Könnt' ihr uns denn sagen, 
Vor wem die Kühnen so große Sorge tragen, 
Daß sie so viel Helden halten zu allen Zeiten? 
Zög' ich damit zu Felde, ich möchte wohl ein Königsland erstreiten." — 
„Das können wir nicht sagen," sprachen die Frau'n, 
„Wir wissen nicht, wohin sie nach andern Ländern schaun. 
Ein Land liegt in der Weite, das heißet Hegelingen: 
Sie fürchten zu allen Zeiten, das niöcht' ihnen grimme Feinde bringen." 
Oftmals blickte Herwig die Jungfrau forschend an; 
Sie schien so schön dem Degen und auch so wohlgethan, 
Daß es ihn im Herzen oft zum Seufzen brachte. 
Sie glich so sehr der einen, an die er oft gar inniglich gedachte. 
Da sprach von Ortland wieder der König Ortwein: 
„Ich frag' euch Mädchen beide: Sollt' euch bekannt nicht sein 
Ein fremdes Ingesinde, das kam zu diesem Land? 
Eine war darunter, die wurde Gudrun genannt." 
Sie sprach: „Tie ihr da suchet, die hab' ich wohl gesehn 
In großen Mühsalen, das will ich euch gestehn." 
Sie war der Mädchen eine, die da Hartmuth brachte; 
Ja, Gudrun war sie selber, daher sie dieser Tinge wohl gedachte. 
Da sprach der König Herwig: „Nun seht, Herr Ortewein! 
Sollt' eure Schwester Gudrun noch am Leben sein 
In irgend einem Lande von allen Erdcnreichen, 
So schwür' ich, diese wär' es; niemals sah ich ihr ein Weib so gleichen."
	        
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