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Kähne und Segelschiffe, die in der Perne als Punkte ver¬
schwinden, beleben die Oberfläche des Sees. Die Ufer,
soweit man sie überschauen kann, sind besät mit Ort¬
schaften, Kirchen, Burgen und Schlössern. Am schönsten
ist der Bück von Lindau aus nach Südosten. Da schimmern
die weifsen Häuser von Bregenz freundlich herüber. Über
die Stadt weg schaut der hochansteigende Gebhardsberg
mit seiner Kirche in den See. Weiter rückwärts gegen
Osten zu türmen sich die Felsmauem Vorarlbergs zum
Hochgebirge auf, von welchem auch im Hochsommer
Schneefelder glänzen. Westlich vom Gebhardsberge er¬
heben sich die Berge der Schweiz, alle überragt vom Säntis,
der seine kahle Felsenpyramide stolz zum Himmel streckt.
Es ist ein grossartiges Bild, welches sich hier, wo fünf
Staaten an den See grenzen, vor unsern Augen entrollt.
Bayern hat durch die Stadt Lindau Anteil an diesem
herrlichen See. Die Stadt liegt auf drei kleinen Inseln,
deren grösste und dem Ufer nächstgelegene durch eine
300 Schritte lange, hölzerne Brücke seit lange schon mit
dem Festlande verbunden ist.
Nun führt auch die Eisenbahn auf einem Damme
hinüber auf die Insel unmittelbar an den Hafen. Dieser
ist wohl das Sehenswerteste der Inselstadt. Auf der Spitze
des einen Hafendammes erhebt sich der über 32 m hohe
Leuchtturm; am Ende des anderen thront ein riesiger
Löwe aus Stein, das bayerische Hoheitszeichen; die Mitte
des Hafenplatzes ziert das eherne Standbild des Königs
Maximilian II. Im Hafen herrscht ein ausserordentlich
rührigös Leben; denn der Verkehr der Stadt ist seit Ein¬
führung der Dampfschiffahrt und Anlage der Eisenbahn
ein sehr bedeutender geworden. Seitdem hat sich auch,
wie ich mir sagen liess, die Einwohnerzahl der Stadt, welche
im Jahre 1820 auf 2500 gesunken war, wieder bis auf 5000
gehoben.
In früheren Jahrhunderten, da der grosse Welthandel
seinen Weg noch über Italien und Augsburg nahm, stand
die Stadt freilich in ganz anderer Blüte und zählte an 10 000
Einwohner,