Tschudi: Das Leben d. Geißbubenrc. Steffens: Das Weihnachtsfeft rc. 187
und weit in den Flühen hinan verteilt hat und den fremden Be¬
sucher mit neugierigen und mutwillig frohen Blicken betrachtet.
Gewöhnlich bringt eine solche Herde drei bis fünf Monate in den
ödesten und wildesten Gebirgslagen zu, ohne irgend einer anderen
Pflege zu genießen, als daß ihnen der Junge von Zeit zu Zeit ein
bißchen Salz auf einen Felsen streut, um sie beisammenzuhalten.
Die Hirtenbuben führen wohl das armseligste Leben, das
mitten unter den Wohnsitzen gebildeter Menschen gefunden wird.
Im Frühling ziehen sie mit ihrer bestimmten Zahl von Tieren ins
Gebirge, ohne Strümpfe und Schuhe, in der ärmlichsten Bekleidung,
mit einem langen Stecken, einem Salztäschchen, oft mit einem
Wetterhute und etwas magerem Käse und Brot versehen. Das
ist ihre einzige Speise während des ganzen Sommers. Von war¬
mer Nahrung ist keine Rede. Ein anderer Junge aus dem Thale
bringt ihnen alle vierzehn Tage, oft auch nur alle Monate neues
Brot und neuen Käse. Diese Nahrungsmittel werden in der Zwi¬
schenzeit beinahe ungenießbar. Dazu plagt den armen Tropf die
Langeweile, gegen die er jedoch zuweilen in irgend einer nütz¬
lichen Beschäftigung ein Schutzmittel sucht. Bei schlechtem Wetter
kauert er Wochen lang ohne Feuer, ohne Wort, vor Kälte und
Hunger zitternd, in seinem feuchten Loche, aus dem er nur her¬
vorkriecht, um seine Tiere zu überblicken, die es, obgleich auch
sie schutzlos den Unbilden der Witterung preisgegeben sind, doch
verhältnismäßig weit besser haben als ihr Hirte. Gegen den Herbst
hin rückt die Gesellschaft gegen die milderen Kuhalpen hinunter,
und wenn Frost und Schnee auch hier mächtig werden, treibt der
Bube zu Thal, um einen unglaublich elenden Lohn in Empfang
zu nehmen. Es klingt fast fabelhaft, wenn versichert wird, daß
manche dieser Geißbuben ein solches Sommerleben so lieb ge¬
wonnen haben, daß sie es nicht leicht mit einem anderen mensch¬
licheren vertauschen würden.
78. Das Weilmachtsfest in Norwegen.
Von Heinrich Steffens. Malkolm. Berlin, 1831.
In Norwegen ist auf dem Lande das Weihnachtsfest das größte
und wichtigste häusliche Fest. Es dauert ununterbrochen vierzehn
Tage lang, und während dieser Zeit werden nur die notwendigsten
Arbeiten verrichtet. Knechte und Mägde feiern; denn schon vor¬
her hat man mit freudigem Eifer alles zu diesem lieblichen Feste
vorbereitet. Alle Häuser stehen allen Bekannten offen, und der
harte Frost, der die Südländer in die Wohnungen verschließt, er¬
öffnet die Verbindung entfernter Thäler. Die Schlitten jagen auf
allen Wegen, auf Schneeschuhen eilt die Jugend über das Gebirge,
und eben um diese Zeit sehen sich entfernte Freunde wie im Süden
im Sommer. Es ist die fröhliche Zeit der Nordländer.