Simrock: Aus „Walther und Hildegunde." 5
19. Alpker war sein Name; der haue frühe schon
Der Tochter König Herrichs verlobt den einz'gen Sohn.
Walther hieß der Knabe; dem sollte Hildegund
Dereinst als Brautschatz bringen ihrer Väter Reich, Burgund.
20. Als jetzt ihm Kunde wurde von des Frankenreiches Fall,
Daß auch Burgund erliege, sein letzter Schutz und Wall,
Da hub er an zu zagen, die Sorge drückt' ihn schwer;
In Waffen obzusiegen blieb keine Hoffnung ihm mehr.
21. „Was sollen wir beginnen?" sprach er in seinem Sinn.
„Was frommt's, zum Kriege rüsten? Es bringt uns nicht Gewinn.
Das stolze Reich der Franken, Burgund hat's nicht gewagt;
Was die sich nicht erdreistet, das ist den Gothen versagt.
22. Ich will ihm Boten schicken, der manches Volk bezwang;
Ihn kann doch nichts mehr hemmen in seines Sieges Gang.
Ich biet' ihm theure Schätze, dazu mein einzig Kind;
Mein Walther muß ins Elend, daß er mir Frieden gewinnt."
23. Den edeln Geisel schickt' er, dazu das reiche Gut.
Da zog aus seinen Marken der wilden Völker Flut.
Mit unermeßner Beute, mit theurem Raub beschwert.
Sind da zum Donaulande die stolzen Heunen heimgekehrt.
24. Sie freuten sich des Sieges, erfochten ohne Streit,
Und ihrer edeln Geisel Hildegund, der schönen Maid,
Hägens und Walthers, der Fürstensöhne hehr.
Wir singen euch und sagen von diesen Beiden noch mehr.
b. Wie Günther und Hagen den Kampf mit Walthern begannen.
1. Die Sonne war gesunken, der heiße Tag vollbracht;
Nun kam heraufgezogen des Mondes volle Pracht;
Da ging mit sich zu Rathe der weise Weigand,
Was ihm am besten wäre bei der Sachen ängstlichem Stand:
2. Die stille Nacht verbringen in seinem Felsenhorst,
Oder heimwärts ziehen durch öd' Gestrüpp im Forst.
Lang' schwankt' er unentschieden ans hoher Sorgen Meer
Und wog das Ein' und Andre im Geiste prüfend hin und her.
3. Am meisten war ihm Hagen verdächtig und der Kuß,
Wie ihn der König herzte bei der Beredung Schluß.
Nicht wußt' er zu erdenken, was ihre Absicht sei:
Sind sie gen Worms geritten, um mehr der Kämpfer herbei
4. Zu holen, oder liegen sie nah im Hinterhalt?
Sich zu verirren sorgt' er dabei im tiefen Wald,
Daß er vielleicht ins Dornicht geriethe, daß die Wuth
Der wilden Thier' ihm raubte die Maid, sein köstlichstes Gut.
5. Dies all im Geist erwogen hatt' er gedankenvoll,
Als zu entschloßner Rede seine Stimme jetzt erscholl:
„Ich bleib' auf dieser Höhe, bis uns der Morgen tagt,
Damit der stolze König vor seinen Freunden nicht sagt,
6. Ich sei ihm entronnen zur Nachtzeit als ein Dieb."
Er sprach's und schwang die Waffe zu manchem schnellen Hieb
Durch Dornen und Gestrüppe; die Straße zu verbaun
Zum engen Felsenthore, hat er sie niedergehaun.