188
kräftigste Sündenvergebung, aber auch der wirksamste' Fluch käme, und
daß der Papst als der höchste Priester der Kirche im Namen Gottes da
einschreiten könne, wo eine menschliche Autorität nicht zureichend sei. Merk¬
würdig aber ist es, daß der Papst gerade in Italien selbst unter den vor¬
nehmsten Bischöfen den größten Widerstand zur Anerkennung seiner obersten
Würde fand, ja die Kirche von Mailand mußte zu dieser Anerkennung
sogar gezwungen werden (1059), und der Widerspruch dauerte hier offen
und geheim lange Zeit fort.
Der gesammte Clerus vom niedrigsten Klosterbruder bis zum Papste
überließ sich bei dem gesteigerten Ansehen und Einflüsse, den er auf die
öffentlichen und häuslichen Verhältnisse gewann, ungescheut allen Lastern,
ja er wetteiferte mit dem vornehmsten Laienstande, den Rittern, Grafen
und anderen weltlichen Vasallen in der Sittenlosigkeit und Rohheit. Es
gab allerdings in den verschiedenen Graden des Clerus auch Männer,
welche hiervon eine Ausnahme machten, aber ihre Zahl und ihr Einfluß
war so unbedeutend, daß Beides in Beziehung auf die große Menge gänz¬
lich verschwindet. Das Leben der Cleriker, der niederen wie der höheren
Prälaten und der meisten Päpste jener Zeit gefiel sich in wilder Streit-
und Rauflust, verging in zügellosen Gelagen und gemeinen Ausschwei¬
fungen. Die gröbsten Sittenlosigkeiten wurden vornehmlich in den Klöstern
verübt, die häufig an Laien als reiche Pfründen vergeben wurden. Die
Aebte und andere Aufseher der Klöster gingen mit dem schlechtesten Bei¬
spiele voran, — was Wunder, daß Mönche und Nonnen dem lüderlichsten
Leben sich Hingaben. Sie konnten dieß um so leichter ungestraft thun, da
sie sich der ordentlichen Aufsicht immer mehr entzogen, besonders wenn
einmal ein Bischof auf Ordnung und Sitte sah; dann kamen sie unter
die unmittelbare Gerichtsbarkeit des Papstes, der theils zu entfernt von
den Klöstern lebte, theils wenig Lust und Zeit hatte, sich weiter um die
Klöster zu bekümmern. Zm 10. Jahrhunderte erhoben sich indeß einige
Klosterreformatoren, namentlich in Frankreich, wo sich die Benedictiner
Berno, Odo und Odilo um die Wiederherstellung der Zucht, um die
Verbesserung ihres Ordens verdient machten und die Vereinigung vieler
Klöster unter dem Abte von Clugny, als gemeinsamem Oberhaupte, bewirkten.
Im Anfange des II. Jahrhunderts traten auch in Italien solche Reforma¬
toren in den Mönchen Romuald us und Johannes Gu albert auf,
von denen jener den Einsiedlerorden der Camaldulenser, dieser aber den
von Vallombrosa stiftete. In Deutschland war das ungebundene und un¬
ordentliche Leben unter Mönchen und Nonnen so eingerissen, daß sie sich
lange mit der größten Hartnäckigkeit jeder Reformation entzogen. Daß sie
es konnten und durften, davon lag die Ursache hauptsächlich in dem Reich-
thume, den sie besaßen, der ihnen zugleich Einfluß und Macht genug ver¬
lieh, jeder unbeliebigen Maßregel mit Erfolge widerstehen zu können. Erst
gegen das Ende unserer Periode folgte man in Deutschland zum Theil