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einsamen Manne, aus selbstsüchtigen Beweggründen; auch alles, was
sonst vielfach nur körperliches Wohlbefinden erzeugt, bildet in der
Familie, in der ein guter Geist waltet, den äußeren Vereinigungspunkt
sittlichen Zusammenlebens, freundlicher Glückszuflüsse und frischen, innigen
Zusammengehörens. Die leibliche Erquickung, in Gemeinsamkeit genossen,
verscheucht Sorgen, die Liebe würzt das Mahl, und das alte Psalmwort
tritt in seine Rechte: „Deine Kinder werden sein wie Ölzweige um
deinen Tisch her."
Auch das Glück der Arbeit hat in der Familie feine Geburtsstätte;
es pflanzt sich fort vom tüchtigen Vater auf den Sohn, von der sorgenden
Mutter auf die Tochter. Und nicht nur die Arbeit, die auf äußere
Dinge sich richtet, erzeugt hier Glück, sondern vor allem die Arbeit, die
der Selbsterziehung gleichbedeutend ist. Wer eine Familie gründet, der
muß in innige und innigste Lebensgemeinschaft mit einem von Natur
ihm fremden Wesen treten; der muß, soll die Ehe freundlich sich gestalten,
noch einmal den Gang der Erziehung durchmachen. Je größer bei der
Nähe des Zusammenlebens und bei der Verschiedenheit ererbter und
erworbener Neigungen und Gewohnheiten die Schwierigkeiten sind, die
man zu überwinden hat, um so größer ist der Gewinn für die innere
Bildung. Wenn „besser werden" gleichbedeutend ist mit „glücklicher
werden", dann liegt eine Fülle des Glücks in der Familie. Glückbringend
ist die gegenseitige Fürsorge für Mann und Weib, die gemeinsame
Fürsorge für die Kinder, und glückbringend sind die segensreichen Folgen
guter Erziehung.
Wer das Familienglück an Werkeltagen nicht empfindet, an den
Familienfesten kann er die Glücksausstrahlungen besser schauen: am
Weihnachtsfeste und an Geburtstagen, wo es sich handelt um die Liebes¬
frage, ob Geben seliger macht oder Nehmen, wo die Freude des Dar-
bietens und Empfangens die Herzen öffnet, — an Tauftagen, wo ernster
Blick und Sorge das Kind unter den zu Gott hinaufsteigenden Eltern¬
wunsch stellen: „Herr, wir lassen dich nicht, du segnest uns denn," —
an den Konfirmationstagen, da wir noch einmal Glück und Segen auf
die selbständige Lebensfahrt dem Kinde mitzugeben wünschen, — oder
aber am Grabe, wenn wir unser Glück der Erde anvertrauen und doch
nicht glauben, daß es mit dem Seelenglück der zum Jenseits wandernden
Erdenpilger ganz zu Ende sei, — und bei all den erusten und freudigen
Tagen, an denen die Familie sich zusammenschließt zu Genuß und
Gemütssammlung, — da tritt das Glück im Festgewande unter uns und
mahnt uns, es auch im Arbeitskittel zu beachten.
Für die meisten Menschen liegen also fast alle Glücksquellen des
Erdendaseins in dem Boden der Familie. Dächte man sich diese hinweg
aus unserem Leben, so würde eine Fülle von Glück Abschied nehmen aus
dieser Welt.