Prosa. — Geistliche Rede. 297
Ritter kann ich machen, aber Doctores kann ich nicht machen. So habe ich
auch von einem feinen Edelmann gehöret, daß er sagte: Ich will meinen Sohn
lassen studieren, es ist nicht große Kunst, zwei Beine über ein Roß hängen und
Relter werden, das hat er mir dald gelernt; und ist fein und wohl geredt.
Das will ich abermal nicht zu Verachtung des reisigen Standes noch
einiges anderen Standes, sondern wider die losen Scharhaänsen gesagt haben,
die alle Lehre und Kunst verachten und nichts rühmen können, denn daß sie
Harnisch führen und zwei Beine über ein Roß hängen, wiewohl sie solches sel—
len thun müssen und dafür das ganze Jahr Gemach, Lust, Freude, Ehre und
Gutes genug haben. Es ist wohl währ, Kunst ist leicht zu tragen (sagt man)
und Harnisch schwer zu tragen; aber wiederum ist Harnisch führen bald gelernt,
aber Kunst ist nicht bald gelernt und nicht leicht zu üben und zu brauchen.
Und daß ich dieses Gewäsches einmal ein Ende mache, so sollen wir wissen,
daß Gott ein wunderlicher Herr ist: sein Handwerk ist, aus Bettlern Herren
zu machen, gleichwie er aus nichts alle Dinge macht; solch Handwerk wird ihm
niemand legen, noch hindern, er lässet gar herrlich in aller Welt von sich singen,
9 113, 5 ff.: „Wer ist, wie der Herr, der so hoch sitzet und so tief herunter
sichet? Der den Geringen aufrichtet aus dem Staube und erhöhet den Armen
dus dem Koth, daß er ihn sitzen lasse unter den Fürsten, ja unter den Fürsten
seines Volls Siehe dich um an aller Könige und Fürsten Höfen und in
Städten und Pfarren: was gilt's, ob nicht dieser Psalm mit vielen starken
Erempeln drinnen regiexet? Da wirst du finden Juristen, Doctoxes, Räthe,
Schreiber, Prediger, die gemeiniglich arm gewest und ja gewißlich allzumal
Echüler gewest nd und fich durch die Feder so emporgeschwungen und auf—
Eflogen, daß sie Herren sind, wie dieser Psalm sagt, und, wie die Fürsten,
Land und Leute regieren helfen. Gott will's nicht haben, daß geborne Könige,
dürsten, Herren und Adel sollen alle regieren und Herren sein er will auch
ine Bettler dabei haben; sie dächten sonst, die edle Geburt machte allein
Herren und Regenten, und nicht Gott alleine.
Man spricht, und ist die Wahrheit, der Papst ist auch ein Schüler ge—
west; darum verachte mir nicht die Gesellen, die vor der Thür sda] panem
ue deum sagen und den Brotreigen singen: du hbrest (wie dieser Psalm
agh große Fürsten und Herren singen. Ich bin auch ein solcher Partekenhengst
Votbeuteltrager gewest und habe das Brot vor den Häusern genommen, son—
derlich zu Eisenach, in meiner lieben Stadt; wiewohl mich hernach mein lieber
Vater mit aller Liebe und Treue in der Hohen Schule zu Erfurt hielt und
durch seinen sauern Schweiß und Arbeit dahin geholfen hat, da ich hinkommen
bin; aber dennoch bin ich ein Partekenhengst gewest und, nach diesem Psalm,
durch die Schreibfeder so fern kommen, daß ich jetzt nicht wollte mit dem türki⸗
schen Kaiser beuten stauschen), daß ich sein Gut sollte haben und meiner Kunst
entbehren. Ja, ich wollte der Welt Gut vielmal gehäuft nicht dafür nehmen,
und wäre doch ohne Zweifel nicht dahin kommen, wo ich nicht in die Schule
und ins Schreiberhandwerk wäre gerathen. m—
Darum laß deinen Sohn getrost studieren, und sollte er auch dieweil nach
Brot gehen, so giebst du unserm Herrn Gott ein feines Hölzlein, da er dir
tinen Herrn aus schnitzen kann. Es wird doch dabei bleiben, daß dein und
mein Sohn, d. i. gemeiner Leute Kinder, werden die Welt müssen regieren,
heide, in geistlichem und weltlichem Stande, wie dieser 35 Denn
die reichen Geizwänste wollen's und könnens nicht thun, sie sind des Mam—
mons Karthäuser und Mönche, des müssen sie Tag und Nacht warten; so ver—