Full text: Vom Regierungsantritt Friedrichs des Großen bis zum Wiedererstehen des Deutschen Reiches (Bd. 8)

Das alternde römisch-deutsche Reich. 25 
welcher die Thüre des Saals gerade gegenüber steht. Hier staunte 
ich nun die vornehmen Personen an, welche sich heute als Diener 
des Reichsoberhauptes bekannten. Vierundvierzig Grafen, die 
Speisen aus der Küche herantragend, zogen an mir vorbei, alle 
Prächtig gekleidet, so daß der Kontrast ihres Anstandes mit der 
Handlung für einen Knaben wohl sinnverwirrend sein konnte. 
Das Gedränge war nicht groß, doch wegen des kleinen Raums 
merklich genug. Die Saalthür war bewacht; indes gingen die 
Befugten häufig aus und ein. Ich erblickte einen pfälzischen Haus- 
ossizianten, den ich anredete, ob er mich nicht mit hineinbringen 
könne. Er besann sich nicht lange, gab mir eines der silbernen Ge¬ 
säße, die er eben trug, welches er um so eher konnte, als ich sauber 
gekleidet war, und so gelangte ich denn in das Heiligtum. Das 
pfälzische Büffett stand links, unmittelbar an der Thüre, und mit 
einigen Schritten befand ich mich auf der Erhöhung desselben 
hinter den Schranken. Am andern Ende des Saals, unmittelbar 
an den Fenstern, saßen, auf Thronstufen erhöht, unter Baldachinen 
Kaiser und König in ihren Ornaten; Krone und Scepter aber lagen 
auf goldenen Kiffen rückwärts in einiger Entfernung. Die drei 
geistlichen Kurfürsten hatten, ihre Büffette hinter sich, auf ein¬ 
zelnen Estraden Platz genommen: Kur-Mainz den Majestäten 
gegenüber, Kur-Trier zur Rechten und Kur-Köln zur Linken. 
Dieser obere Teil des Saales war würdig und erfreulich anzusehen 
und erregte die Bemerkung, daß die Geistlichkeit sich so lange als 
möglich mit dem Herrscher halten mag. Dagegen ließen die zwar 
prächtig aufgeputzten, aber herrenleeren Büffette und Tische der 
sämtlichen weltlichen Kurfürsten an das Mißverhältnis denken, 
welches zwischen ihnen und dem Reichsoberhaupte durch Jahr¬ 
hunderte allmählich entstanden war. Die Gesandten derselben 
hatten sich schon entfernt, um in einem Seitenzimmer zu speisen; 
und wenn dadurch der größte Teil des Saales ein gespensterhastes 
Ansehen bekam, daß so viele unsichtbare Gäste auf das prächtigste 
bedient wurden, so war eine große unbesetzte Tafel in der Mitte 
noch betrübter anzusehen; denn hier standen auch so viele Couverte 
leer, weil alle die, welche ebenfalls ein Recht hatten, sich daran zu 
setzen, Anstands halber, um an dem größten Ehrentage ihrer Ehre 
nichts zu vergeben, ausblieben, wenn sie sich auch dermalen in der 
Stadt befanden. Viele Betrachtungen anzustellen erlaubten mir 
weder meine Jahre, noch das Gedränge der Gegenwart. Ich be¬ 
mühte mich, alles möglichst ins Auge zu fassen; und wie der Nach¬ 
tisch aufgetragen wurde, da die Gesandten, um ihren Hof zu machen, 
wieder hereintraten, suchte ich das Freie, und wußte mich bei guten 
Freunden in der Nachbarschaft nach dem heutigen Halbfasten wieder 
zu erquicken und zu den Illuminationen des Abends vorzubereiten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.