76 —
Maiblumen, Stiefmütterchen, Enzian,
Die Katzenpfötchen, den Löwenzahn,
Die pflück' ich mir und binde daraus
Für Vater und Mutter den schönsten Strauß;
Den trag' ich ganz still und heimlich nach Haus.
Auch teil' ich an Schwestern und Brüder aus.
Drum ist das Gebüsch, die Wiese, der Wald
Vor allem mein liebster Aufenthalt.
93. Der Sehmetterling.
FPriedrieh adoltf Krummaceher. Parabeln. 2. Bd. 4. Auss. Essen, 1820.
Doer kleine Rudolf kam in wilder Freude aus dem Garten
gesprungen und rief: „Weleh ein sehönes Vögelein hab' ieh go⸗
fangen! Es sass auf einer Blume, und seine Flügel glänzten wie
lauter Gold und Silber und noeh viel schöner! Da uat in leise
hinan und griff darnach, da hatt' ieh es sogleiech! Nun will ieh
es aber aueh recht gut bewahren, und es soll mir nieht ent
kommen, und ieh vill ihm Mileh und Brot zu essen geben.“
Also redete der kleine Rudolf.
Da spraoh der Vater: „Nun, Rudeli, 50o lass uns dooh aueh
deinen Pang bewundern!“
Darauf griff der Knabe hastig in seinen Busen und zog einen
schönen Sommervogel hervor.
Aber siehe, dis Pittiehe des Vögleins hatten ihren Glanz
verloren, der bunte Plügelstaub klebte an den Fingern des
Knaben, und die zarten Sehwingen waren ganz zerzauset. —
Da seufate der Knabe bitterlich und sprach: „O, vioe ist
das Ding so jämmerlieh entstellt worden! Sieht ee doch dem
Vöglein nieht mehr ähnlieh, das auf der Lilie sass! Pfuil ven
sie auoh so zerbrechlieh sind!“ — go sprach der Knabe und warf
den Schmetterling zürnend zur Erde.
Der Vater aber antwortete und sprach: „Wem zürnest
du? Ist es denn des Vögleins Sehuld, dass es s80 zart gebildet
wurde?
Du hast es mit rauhen Händen angefasst, darum verwellete
sein Hlügelglanz und sein Blumenleben.“