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Altdeutsche Literatur.
3. Ehzels Trauer.
Etzels Schmerz war so mannigfach, daß er selten sprach.
Er war weder hier noch dort, für seinen Gram fand er kein Wort:
Er war nicht todt, doch lebt' er kaum und schwebte wie im Traum.
Wie große Macht er auch besaß, man ließ ihn und vergaß
Den Stillen, Freudenlosen, obwohl Mächtigen und Großen.
Mit aller seiner Macht ließ man ihn außer Acht.
Wir haben nie vernommen, wie's mit ihm gekommen,
Da Jeder ihn vermied, seit Dietrich von ihm schied,
Daß niemand sagen kann, was er seitdem gethan.
2. Kudrun.
G. 32 Lehrb. K. 435)
1. Hetels Werbung.
Ein Held war erwachsen in der Dänen Land
Zu Stürmen in der Marke: Das ist uns wohl bekannt.
Da saßen seine Freunde, die ihn nach Ehren zogen.
Auch Ortland mußt ihm dienen; er war um Macht und Herrschaft nicht betrogen.
Hettel der reiche zu Hegelingen saß,
Von Ortland nicht ferne, in Wahrheit sag' ich das.
Darinnen hatt' er Burgen wohl achtzig oder mehre,
Die sie behüten sollten, die dienten täglich ihm mit großer Ehre.
Da riethen ihm die Besten, er sollte Minne pflegen
Wie sie ihm wohl gezieme. Da sprach der junge Degen
„Ich weiß mir irgend Eine, die zu Hegelingen
Mit Ehren Herrin wäre, und die man mir zu Hause dürfte bringen.“
Da sprach von Niflanden Morung der junge Mann:
„Ich weiß ein edel Mägdelein, mir wurde kund gethan,
Eine schönre lebe nirgend auf der Erde:
Wir sollen Sorge tragen, daß euch die zu einer Trauten werde.“
Er fragte, wer sie wäre oder wie sie sei genannt.
Er sprach: „Sie heißt Hilde, und ist aus Ireland.
Ihr Vater heißt Hagen und ist von Königsstamme,
Kommt sie her zu Lande, so hast du immer Freude, wonnesame.“
Da hieß er Boten reiten in der Dänen Land,
Wo man Horanden, seinen Neffen, fand.
Er entbot dem Recken, daß er kommen sollte
Binnen sieben Tagen, wenn er einen Dienst ihm leisten wollte.
An dem siebenten Morgen kam er in das Land;
Er und die Gesellen trugen reich Gewand.
Der König ging den Helden entgegen selbst, der gute:
Da sah er bei dem Recken auch von Dänemark den kühnen Frute.
Hettel Horanden zu bitten nun begann;
„Ist dir kund die Märe, das sage mir an,
Wie es um Hilde stehe, die Zier der Königinnen,
Der wollt' ich meine Grüße und meine Botschaft gerne bringen.“