Full text: Lesebuch zur Geschichte der deutschen Literatur alter und neuer Zeit

Blüthe der ritterlichen (romantischen) Poesie. 
„Das mag sich schwerlich fügen,“ sprach da Horand, 
„As Bote reitet Niemand hin in Hagens Land. 
Ich selber will nicht eilen dazu mich aufzudrängen: 
Die um Hilde werben, die läßt man dort erschlagen oder hängen.“ 
Da sprach wieder Hettel: „Mir ist nach ihr so Noth, 
Hieng' er mir einen Boten, so müßte drum den Tod 
Hagen selber sterben, der Herr im Irenreiche. 
Wär' er noch so frevel, zum Schaden müßt' ihm doch sein Grimm gereichen.“ 
Da sprach der Degen Frute: „Wenn der Bote dein 
Hin nach Irlanden Wate wollte sein, 
So möcht' uns wohl gelingen, wir brächten dir die Fraue, 
Oder uns würden Wunden durch das Herz und all den Leib gehauen.“ 
Hettel der König sprach: „So will ich hin 
Senden zu den Stürmen, da ich versichert bin. 
Wate reitet gerne wohin ich ihn bedeute. 
Heißt mir Jrolden den Friesen kommen und seine Leute.“ 
Die Boten ritten eilends gen Stürmen in das Land, 
Wo man den kühnen Wate bei seinen Helden fand. 
Man sagt' ihm von dem Könige, daß er kommen sollte. 
Waten nahm Wunder, was der Hegelingen König von ihm wollte. 
Er kam gen Hegelingen und anders Niemand mehr. 
Der König war gewaltig; Wate der war hehr, 
Dazu übermüthig in allen seinen Dingen: 
Hettel saß in Sorgen wie er ihn gen Irland möchte bringen. 
Da sprach der junge Recke: „Ich habe dich besandt: 
Eines Boten ich bedurfte in des wilden Hagen Land. 
Nun weiß ich aber Niemand, der dazu besser wäre 
Als du Wate, lieber Freund; du brächtest solcher Botschaft große Ehre.“ 
Wate sprach im Zorne: „Wer dir das hat gesagt, 
Und wär' ich heut erstorben, er hütt' es nicht beklagt. 
Wohl hat dich anders Niemand gereizt mir anzusinnen 
Als Frute, der Däne, daß ich dir die schöne Hilde soll gewinnen. 
„Es ist mit solcher Hut doch bewahrt die schöne Magd — 
Horand und Frute, die haben dir gesagt 
Von ihrer großen Schöne: ich will nicht Ruhe finden, 
Bis sich dieser Reise die beiden mit mir müssen unterwinden.“ 
Wate der kühne, da er Horanden sah 
Und Frute den Dänen, wie balde sprach er da: 
„Gott lohn' euch Helden beiden, die ihr um meine Ehre 
Und meine Hofreise unterweilen Sorge tragt so schwere. 
„Habt ihr darauf gedrungen, daß ich Bote sei, 
So sollt ihr nun auch mit mir müssen alle zwei: 
Da dienen wir dem König wohl nach seinen Hulden, 
Wer meine Ruh' gefährdet, der soll fürwahr auch selber mit mir dulden.“ 
Weber, Lesebuch. 4. Aufl. 6 
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