Full text: Lesebuch zur Geschichte der deutschen Literatur alter und neuer Zeit

Blüthe der ritterlichen (romantischen) Poesie. 
Ich bin ihm dir zu Liebe hold, ich will's gestehen.“ 
Da sprach der kühne Däne: „Reichern König hab' ich nie gesehen.“ 
Er sprach zu der Frauen: „So entbietet er dir das 
Sein Herze trage Minne zu dir ohne allen Haß. 
Nun laß auch ihn genießen, Herrin, deiner Güte: 
Er hat um dich alleine von allen Frauen gewendet sein Gemüthe.“ 
Sie sprach: „Gott mög' ihm lohnen, daß ich sein Herz gewann. 
Wär' er mir ebenbürtig, ich nähm' ihn gern zum Mann, 
Wenn du mir singen wolltest den Abend und den Morgen.“ 
Er sprach: „Ich thu es gerne, darüber seid mir, Herrin, außer Sorgen.“ 
3. Wie Ortwein und Herwig Gudrun und Hildburg beim Waschen treffen. 
Nach langem Harr'n und Warten, da sahn sie auf dem Meer 
Zwei in Einer Barke und anders Niemand mehr. 
Da sprach Frau Hildeburg zu Gudrun der reichen: 
„Dort seh' ich Zwei schwimmen; deinen Boten scheinen die zu gleichen.“ 
Da sprach die Jammernsreiche: „O weh, ich arme Maid: 
Jammer schafft mir Alles, die Freude wie das Leid. 
Sind es Hildens Boten, sollen die mich finden 
Waschen auf dem Grieße, die Schande könnt' ich nimmer überwinden. 
Ich arme Gottverlaßne, ich weiß nicht was ich thu': 
Draut Gespiel, Hildeburg, gieb deinen Rath dazu: 
Soll ich von hinnen weichen oder mich hier finden 
Laßen in der Schande? Lieber hieß ich immer Ingesinde!“ 
Da sprach Frau Hildeburg: „Ihr seht wohl wie es steht: 
In so hohen Dingen fragt nicht was Hildburg räth. 
Ich leiste mit euch gerne Alles was ihr thut: 
Ich will bei euch verbleiben, es ergeh' euch übel oder gut.“ 
Da wandten sie sich beide und gingen eilends fort; 
Doch waren schon so nahe die Männer jenem Ort, 
Daß sie die Wäscherinnen sahen an dem Strande: 
Da wurden sie wohl inne, daß sie wollten fliehn von den Gewanden. 
Sie sprangen aus der Barke und riefen ihnen nach: 
„Ihr schönen Wäscherinnen, warum ist euch so jach? 
Wir sind fremde Leute, das mögt ihr an uns spüren: 
Scheidet ihr von hinnen, die reichen Kleider werdet ihr verlieren.“ 
Es war in den Tagen, da der Winter Abschied nimmt, 
Und der Vogel mit Zagen die Kehle wieder stimmt, 
Daß er singe seine Weise, wenn der März entschwunden. 
In Schnee und in Eise wurden die armen Waisen gefunden. 
Mit gesträubten Haaren kamen sie heran. 
Wie ihnen beiden waren die Häupter wohlgethan, 
Doch sah man ihre Locken zerzaust vom Morgenwinde; 
Ob es regnete oder schneite, weh war dem armen Ingesinde. 
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