Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Klassen von Gymnasien und Realschulen

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50. Leben und Charakter der Alpeubewohner. 
Wahl seiner Wohnstätte, seines Ackers, seiner Weide, seiner 
schästigung, seines Verkehrs — immer wird er an ihre gewaltig 
Herrschaft gewiesen, die ihn von allen Seiten mit den manE 
faltigsten Eindrücken, Mahnungen und Nöthigungen umgibt. ^ 
wie fest dieselbe ihn umschließt, wie hart bisweilen ihr Zorn 
ihm empfunden wird, sie hält ihn nicht muth- und Hoffnung^ 
zu Boden gedrückt; sie zieht ihn hülfreich wieder empor/und # 
wunderbare Weise bleibt seine Liebe ihr zugethan, und mit erl# 
ter und gestählter Kraft wirkt er selbst veredelnd und beherrscht 
auf sie zurück. 
In der That, der Alpenbewohner gewährt auch jetzt, ^7 
dem gewisse Einflüsse von außen hier und da eben nicht günDk 
Umgestaltungen hervorgebracht haben, das Bild eines hochant 
henden. durch Naturfrische und Naturkräftigkeit ausgezeichnet 
Menschenschlages. Zwar zeigt dieses Bild je nach den verschiedet 
Theilen der Alpen auch verschiedene Nüancen; aber deutlich 
gewisse allgemeine Charakterzüge hervor, auf welche seiner Th# 
und Berge Natur einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt ¥[ 
In der Alpenwelt pflegt nicht bloß der Waldarbeiter, 
Kohlenbrenner, Holzflößer, Jäger und Hirt Tage, Wochen, jai# 
nate lang Umgang und vertraute Bekanntschaft mit den Ber<# 
auf deren Abhänge, Gipfel und in deren innerste Winkelschlu#^ 
unmittelbar sein Geschäft führt; auch der Ackersmann muß 
Vertrauter werden; denn nicht hat er, wie der Bauer der 9rö!, 
Ebene, seine Felder in einem ununterbrochenen, ihm nahe und 
quem gelegenen Ganzen beisammen, das er mit verhältnismaß 
leichter Mühe bebauen könnte; im Alpenlande ist, einzelne 
Striche abgerechnet, des fruchtbaren Erdreichs weniger und ^ 
wenige auf verschiedenen Stufen der Bodenerhebung weit §erftrel 
Hier thut's noth, jeden kleinen Fleck aufzusuchen und zu benu^ ’ 
fortwährend drängt diese Rücksicht und das ganze Verhältnis i#, 
Wirthschaft in alle Regionen und Zonen des Gebirgs seine 
tigkeit: in die obersten, in denen er sein Vieh weidet; in " 
mittleren, in denen er sein Holz findet; in die unteren, wo^> 
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lle" 
cher kleine Streifen Feldes oder der kleine Weinberg zu beP• 
ist, bis in die Thalsohle hinab, wo oft sein vornehmster ^ 
Und kann der Bewohner der Flecken und Städte, der Gebild^ 
der Handelsmann das Gebirge missen? Der Arzt muß seine ( 
der Priester den Trost der Religion hinaufbringen in entleg ^ 
Hütten hinter Wasserstürzen und Gletschern; und der Derked
	        
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