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Empfang mit schimpflichen Schlägen erwartet sie von Seiten der
erbosten Gerlinde; um der Mißhandlung zu entgehen, stellt sie sich
als wolle sie nunmehr Hartmuth heirathen. Gerlinde frohlockt, und
bald sitzt Gudrun, gebadet und prachtvoll gekleidet an der reichbesetz⸗
ten Tafel im Königssaale. Als Herwig und Ortwein zu dem Heere
zurückkehren und die Schmach verkündigen, welche Gudrun so lange
Jahre hindurch ist angethan worden, erheben die Helden laute Klage
aber der alte Wate heißt sie, auf andere Weise der Königstochter
dienen: die Kleider roth färben, die sie weiß gewaschen. Noch in
der Nacht soll der Sturm auf die Normannenburg begonnen werden
Der Morgenstern steht hoch am Himmel, da schauet eine der Ge—
faͤhrtinnen der Gudruͤn durch das Fenster, und nach der See hin
leuchtet das ganze Gefilde von hellem Waffenglanz, von Stahlhelmen
und lichten Schilden, und alsbald ruft auch der Wächter hoch von
der Zinne: „Wohlauf, ihr stolzen Recken ihr Normannenhelden auf
ihr habt zu lang geschlafen.“ Der Kampf beginnt. Wate's Schlacht⸗
horn ertönt so gewaltig, daß die Steine in den Mauern beben
Tapfer fechtend fällt der Normannenkönig Ludwig unter Herwigs
Streichen; die üble Gerlinde will dafür Gudrun erschlagen haben
und schon ist das Schwert über ihrem Haupte gezückt als Hartmuth
welcher von unten der bösen Mutter mörderische Absicht gewahrt
edelmüthig dem Verbrechen wehrt. Grimmig wüthen Wate, Frute,
Horand und Siegfried unter den Feinden. Die festen Thore wer—
den erstürmt, Harimuth mit seiner Schwester Ortrun wird gefangen ge—
nommen. Der zornige Wate dringt in das Frauengemach die ver—
diente Rache an Gerlinde zu nehmen.
1. In der Burg war Alles in Schmerz versenkt und Gram
Das Volk aus dem Lande zu großem Schaden kam.
In der Stadt erschlagen wuürde Mann und Weib,
Die Kindlein in der Wiege verlorxen Leben und Leib
2. Jrold, der starke, rief da Waten an:
„Die jungen Kinder haben euch den Teufel gethan;
Im Tod unsrer Freunde sind ohne Schuld die armen;
So habt Gott zu Ehre mit der armen Waisen Erbarmen.“
3. Da sprach der alte Wate: „Du hast lind schen Muth.
Die in der Wiege weinen, däuchte dich das gut,
Daß ich die leben ließe? Sollten sie erwachsen,
So möcht' ich ihnen wahrlich nicht mehr vertrau'n als einem wilden
Sachsen.“
4. Das Blut allenthalben aus den Gemächern floß;
Ihre Freunde, die das sahen, wie es die verdroß!
Da kam in großem Kummer Ortrun, die hehre,
Zu Gudrun gegangen. Sie sorgte, daß der Schade noch sich mehre.
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