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14. Er schwebt' ihr vor den Augen wieder auf der See:
„Eh' daß unser Scheiden, mein und dein, gescheh',
So viel ich dir mag dienen, es soll mir wohlgefallen.
Da du's bei Christ gebietest, so sag' ich dir von dnen Freunden
allen.“
15. Sie sprach: „So hört' ich gerne, sofern es dir bekannt,
Soll auch Horand kommen, der Held von Dänenland?
Er mit seinen Helden, die mich in Sorgen ließen;
Ich weiß ihn so bieder, wohl möcht' ich arme Magd sein genießen.“
16. „Auch Horand, dein Neffe, kommt von Dänemark
Zu manchem heißen Sturme mit seinen Recken stark.
Er soll in seinen Händen tragen Hildens Zeichen,
Wenn die Hegelingen kommen her zu Hartmuthens Reichen.“
17. Da sprach wieder Gudrun: „Kannst du mir sagen,
Lebt Wate noch von Sturmland? so wollt' ich nicht klagen
Des freuten wir uns alle, wenn das geschähe,
Daß ich auch Frute, den alten, bei meinem Banner sähe.“
18. Da sprach der Engel wieder: „Dir kommt in dieses Land
Wate von Sturmland; der hält in seiner Hand
Ein starkes Steuerruder in einem Kiel mit Fruten.
Beßre Freunde darfst du zum Kampf nicht wünschen in deinem Muthe.“
19. Wieder scheiden wollte der Engel von ihr hin.
Da sprach die Gottesarme: „In Sorgen ich noch bin;
Ich wüßte so gerne, wann es geschähe,
Daß ich Heimatlose meiner Mutter Hilde Boten sähe?“
20. Der Engel gab zur Antwort: „Freude geht dir zu;
Dir kommen zwei Boten morgen in der Fruh.
Die sind wohl so bieder, daß sie dich nicht betrügen.
Die Märe, die sie bringen, damit wollen sie dich nicht belügen.“
21. Da mußte sie verlassen der Gottesbote hehr;
Die heimatlosen Frauen fragten da nicht mehr.
Doch lag auf ihren Herzen noch großen Kummers Schwere,
Wo ihrer Helfer werthes Ingesinde jetzo wäre.
22. Sie wuschen desto lässiger heute das Gewand.
Sie sprachen von den Helden, die ihnen zugesandt
Hilde, die reiche, vom Land der Hegelingen;
Sie harrten ihrer Freunde beklommen und der kommenden Dinge
23. Der Tag hatt' ein Ende; nach Hause sah man gehn
Die armen Mägdlein fremde. Wohl mußte da geschehn
Ein zorniges Schmähen von der bösen Gerlinde,
Sie unterließ es selten zu zürnen mit dem edeln Ingesinde.
24. Sie sprach zu den Frauen: „Wer gab euch den Rath,
Daß ihr so träge waschet die Seid' und andern Staat?
Meine weißen Tücher, die bleicht ihr zu träge;
Die es nicht meiden wollen, die berxeu'n es wohl noch unter Schlägen.“
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