Full text: Auswahl deutscher Dichtungen aus dem Mittelalter

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25. Da sprach zu ihr Frau Hildeburg: „Wir thun, was möglich ist 
Wenn Ihr nur, Herrin, Nachsicht an uns zu üben wißt. 
Uns armes Ingesinde friert oft zum Erbarmen; 
Wir wollten fleißger waschen, begännen erst die Lüfte zu erwarmen.“ 
26. Da rief ihnen Gerlind in übelm Zorne zu 
„Ich will, daß ihr nicht säumet, wie auch das Wetter thu. 
Ihr sollt mir früh und späte meine Kleider waschen. 
Laßt morgen euch vom Tage nicht in meiner Kammer überraschen. 
27. „Uns nahen Lustbarkeiten, das habt ihr wohl vernommen; 
Der Palmtag ist nahe, da werden Gäste kommen. 
Und schafft ihr meinen Helden dann nicht weiße Kleider, 
So geschah in Königshallen wohl noch keiner Wäscherin leider.“ 
28. Sie gingen von hinnen und legten von sich naß 
Die Kleider, die sie trugen; wie ziemt ihnen das? 
Leider Lieb und Treue war gegen sie zerronnen; 
Wohl konnt es sie nicht freuen; ihre Speise war von Roggen und vom 
Bronnen. 
29. Das arme Ingesinde wollte schlafen gehn. 
Ihr Bette war nicht linde; die zwei Jungfrauen schön 
Trugen schwarze Hemden; so konnte sie bedenken 
Die bbse Gerlinde, die sie liegen ließ auf harten Bänken 
30. Gudrun, die arme, unsanft gebettet lag; 
Sie konnten kaum erwarten, bis wieder schien der Tag, 
Und schliefen desto minder, zumal wenn sie gedachten 
Wann die guten Ritker kämen, die der Vogel ihnen brachte. 
31. Als es begann zu tagen, zu einem Fenster schritt 
Die so viel Beschwerde die ganze Nacht erlitt, 
Hildeburg, die edle, von Galizienlande. 
Da war ein Schnee gefallen. Die Armen sollten da hinaus zum 
Strande. 
32. Da sprach die Elende: „Wir müssen waschen bald 
Es sei, daß Gott es wende, das Wetter ist so kalt, 
Gehn wir heute waschen mit unsern bloßen Füßen, 
Vielleicht noch vor Abend sollen wir es mit dem Tode büßen.“ 
33. Doch freute sie die Hoffnung, es möchte wohl geschehn, 
Daß sie Hildens Boten heute sollten sehn; 
Wenn sie an die gedachten, die minniglichen Maide, 
Die ihnen Freude brachten, das war doch ein Trost in ihrem Leide 
Wie Ortwein und Herwig zu ihnen kamen. 
1. Nach langem Harrn und Warten sahn sie auf dem Meer 
Zwei in einer Barke und anders Niemand mehr. 
Da sprach Frau Hildeburg zu Gudrun, der reichen: 
„Dort kommen zwei gefahren; deinen Boten scheinen die zu gleichen.“
	        
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