Full text: [II = Oberstufe] (II = Oberstufe)

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füllen wolle, durch weitere Gesetze für die Arbeiter zu sorgen. Sein 
Streben ging dahin, diejenigen Staatsbürger, die nur durch die Arbeit 
ihrer Hände ihr tägliches Brot verdienen, vor der äußersten Not zu 
schützen, wenn sie im Alter oder durch Krankheit erwerbsunfähig 
werden. Daher gab er im Jahre 1889 dem Jnvaliden-Ver- 
sichernngsgesetz die Zustimmung, das durch ein am 1. Januar 1900 
gültig gewordenes Gesetz verbessert worden ist. Ihm unterliegen alle 
Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge und Dienstboten vom 16. Lebens¬ 
jahre ab. Jeder Versicherte führt eine Karte, welche Platz für 
52 Wochenmarken enthält. Die Marken sind vom Arbeitgeber ein- 
zukleben. Es gibt Marken zu 14, 20, 24, 30 und 36 -P'. Die Art 
der einzuklebenden Marken richtet sich nach der Lohnklasse, in der die 
Versicherten stehen. Die I. Klasse reicht bis 350 JL, die II. bis 550 Ji, 
die III. bis 850 Ji t die IV. bis 1150 Jahresverdienst) zur 
V. Klasse gehören diejenigen, welche mehr als 1150 Ji Einkommen 
haben. Die Hälfte des Preises der Marken darf der Arbeitgeber den 
Arbeitern am Lohne abziehen. Gegen diese regelmäßigen Leistungen 
erhält die versicherte Person eine Jahresrente, wenn sie dauernd 
eriverbsnnfähig oder altersschwach wird und die vorgeschriebene Warte- 
zeit zurückgelegt hat. Die Wartezeit beträgt 200 bezw. 500 Beitrags¬ 
wochen bei der Invalidenrente und 1200 Beitragslvochen bei der 
Altersrente. Kein anderes Land hat ein Gesetz, das den Arbeiter- 
stand in dieser Weise unterstützt, als Deutschland. 
Mit dieser Fürsorge für die Zukunft der Arbeiter ließ es der 
Kaiser aber noch nicht genug sein. Er wollte nun auch den körper- 
lichen und sittlichen Schutz der Arbeiter gesetzlich regeln und eine 
leichtere Einigung bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeit- 
nehmern anbahnen. Am 4. Februar 1890 erschienen zwei Allerhöchste 
Erlasse, in welchen der Kaiser dieser Willensmeinung Ausdruck gab. 
Um aber der deutschen Industrie nicht durch einseitige Lasten den 
Wettbewerb mit der ausländischen unmöglich zu machen, lud der Kaiser 
die Staaten Europas zu einer Arbeiter-Schutz-Konferenz ein. Dieselbe 
trat am 15. März 1890 in Berlin zusammen und dauerte 14 Tage. 
Fast alle europäischen Staaten hatten sich durch hervorragende Männer 
beteiligt. Die Folge dieser Konferenz waren wichtige Gesetze in 
Frankreich, Belgien, Österreich, Ungarn und England zum Schutze der 
arbeitenden Männer-, Frauen und Kinder. Am entschiedensten ging 
aber auch jetzt das Deutsche Reich voran. Hier wurden zur Beilegung 
von gewerblichen Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern 
durch ein Gesetz vom 29. Juli 1890 die Gewerbegerichte eingesetzt. 
Noch bedeutsamer war die Novelle (ein Nachtrag) zur Gewerbeordnung 
vom 1. Juni 1891. Dieselbe kann als ein eigentliches Arbeiterschutz- 
gesetz augesehen werden. Denn es wird darin die Sonntagsruhe 
in Bergwerken, Fabriken, Werkstätten und im Handelsgewerbe geregelt) 
die Beschäftigung schulpflichtiger Kinder in Fabriken wird ver- 
boten) für Frauen wird die Arbeit zur Nachtzeit untersagt und die
	        
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