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188. Die drei Freunde.
Er sandte mich mit voller Hand
Zum Heile jedem guten Land;
Doch manche Rute bring' ich auch,
Die ich vielleicht im Notfall brauch'.
So nehmt denn hin, was ihr begehrt;
Denn jedem wird, soviel er wert,
Und wählt ein böser Thor nicht recht,
Dann sprech' er nicht: das Jahr war schlecht!""
188. Die drei Freunde.
Traue keinem Freunde, bevor du ihn geprüft hast! Au
der Tafel des Gastmahls gibt es deren mehr, als an der
Thüre des Kerkers. — Ein Mann hatte drei Freunde; zwei
derselben liebte er sehr; der dritte war ihm gleichgültig, ob
dieser gleich es am redlichsten mit ihm meinte. Einst ward er
vor Gericht gefordert, wo er unschuldig, aber hart verklagt war-
„Wer unter euch", sprach er zu seinen Freunden, „will mit mir
gehen und für mich zeugen? denn ich bin hart verklagt worden,
und der König zürnt." — Der erste entschuldigte sich sogleich
daß er nicht mit ihm gehen könne wegen anderer Geschäfte.
Der zweite begleitete ihn bis zur Thür des Richthauses; da
wandte er sich und ging zurück aus Furcht vor dem zornigen
Richter. Der dritte, auf den er am wenigsten gebaut hatte,
ging hinein, redete für ihn und zeugte von seiner Unschuld so
freudig, daß der Richter ihn losließ und beschenkte.
Drei Freunde hat der Mensch in dieser Welt. Wie be¬
tragen sie sich in der Stunde des Todes, wenn ihn Gott vor
Gericht fordert? Das Geld, sein bester Freund, verläßt ihn
zuerst. Seine Verwandten und Freunde begleiten ihn bis zur
Thüre des Grabes und kehren dann zurück in ihre Häuser.
Der dritte Freund, den er im Leben oft am meisten vergaß,
sind seine wohlthätigen Werke. Sie allein folgen ihm zum
Throne des allmächtigen und barmherzigen Richters.