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Geht, brech’ mir eins Aurikeln ab, 
doch wischt mir ja den Staub nicht ab; 
und prangst du, Gundel, in dem Staat, 
halt' ich ein Sträusschen dir parat! 
128. Sonntagsfeier. 
(Aus der Zeitschrift: Die Grenzboten.) 
Um eine würdige Sonntagsfeier ist es etwas Grosses! Wer in 
Stadt und Dorf das geschäftige Leben der Handwerksstuben und 
Bauernhöfe betrachtet hat, weiss, was der Sonntag bedeutet. Wenn 
die sechs Arbeitstage vorhanden sind, dem kleinen Mann sein Brot 
zu verschaffen, so ist der Sonntag eingesetzt, seiner Seele Nahrung 
zu geben, ihn zu erinnern, dass sein Herrgott lebt, dass die Natur 
schön ist, dass es Menschen giebt, die er liebt, und die ihn heben; 
dass es gute Bücher giebt, fröhliche Geselligkeit, Freude, Lachen und 
Genuss. Jedem thätigen Landwirt ist der feierliche Tag mit seinem 
Glockengeläut, mit der Buhe in Hof und Acker so viel wert, als die 
sechs Arbeitstage vorher; denn er weiht ihm die ganze nächste 
Woche. Seine Gespanne ruhen aus. Behaglich stampfen die Pferde 
im Stalle und knuspern am Heu vornehm und wählerisch, und das 
müde Fleisch quillt wieder kräftig auf unter dem glänzenden Haar. 
Auch der Zugochs liegt wiederkäuend wie ein vornehmer Herr auf 
seinem Stroh und brüllt den eintretenden Wirt wohlwollend an. — 
Und das Hofgesinde! Sechs Tage sind sie ernst aneinander vorbei¬ 
gegangen, kurze Worte, ein trockner Scherz war ihre Bede; heut am 
Sonntage sind sie nicht dieselbigen Menschen. Zuerst der reine Hemds¬ 
ärmel! Wieviel Selbstgefühl liegt in der weifsen. dicken, aufgeblähten 
Leinwand, welche den kräftigen Arm des Grossknechts umschliefst. 
Mit grossem Behagen sieht er auf die reinliche Farbe, während er 
pfeift, die blaue Tuchjacke säubert und den Kupferbeschlag seines 
Pfeifenkopfs von Maserholz poliert. Durch die ganze Woche hat die 
Magd sich auf die Stunde gefreut, wo sie sich hübsch machen und 
das neue Mieder anlegen kann; heute steht sie glücklich vor der Thür 
des Gesindehauses und legt die Hände übereinander. Alle fühlen 
sich sauber, sie fühlen sich hübsch; heute gefallen sie und linden 
selbst Gefallen am Leben. — Tretet in die Tagelöhnerhütte nebenan. 
Die Frau hatte in der Woche wenig Zeit für ihre Wirtschaft, denn 
sie und ihr Mann haben ihre Arme auf sechs Tage dem Gutsherrn 
vermietet; das einfache Essen musste in einer Stunde mit müden Händen
	        
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