1. Oos alte Niebersachsen.
Als die Römer in unsere engere Heimat eindrangen, war diese von einer
Reihe deutscher Völkerschaften bewohnt.
a) Die Lhauken. Sie bewohnten die Küstenländer von der Ems bis an
die Elbe, also die heutigen Marschen, und wurden von den Hörnern als das
edelste unter den deutschen Völkern bezeichnet. Doch müssen sie ein elendes
Leben geführt haben, denn das Land besaß noch feine Deiche und wurde von
jeder großen Zlut überspült. Die ärmlichen Häuser lagen auf künstlichen Erd-
Hügeln, lüurten genannt. Das Volk trieb Jagd und Zischfang. Die Römer
konnten nicht begreifen, wie ein solches Volk glücklich sein konnte. Ein römischer
Schriftsteller (piinius) schreibt: „Zweifeln möchte man, ob es Land sei oder Meer,
was man sieht. Da wohnt das armselige Volk in seinen Hütten, auf Hügeln,
von Menschenhand aufgerichtet, so hoch, wie die $Iut reicht, Schiffenden gleich,
wenn die Gewässer die Gegend bedecken, Schiffbrüchigen aber, wenn die fliehenden
51uten Seefische und Muscheln zur Nahrung lassen, wenn sie sich verlaufen haben.
Nicht wie die Nachbarn können sie Vieh halten und von Milch sich nähren; nicht
einmal mit wilden Tieren können sie kämpfen, weil ihr Land von allem Gebüsch
entblößt ist. Aus Schilf und Binsen fertigen sie Stricke und Netze zum Kisch-
fang, und indem sie den mit ihren Händen hervorgeholten Schlamm (vielleicht
eine Torfschicht) mehr im Winde als in der Sonne trocknen, erwärmen sie mit
dieser Erde ihre Speisen und ihre vom Nordwind starrenden Glieder. Getränk
haben sie nur vom Regen, den sie in Gruben im Vorplatze ihres Hauses auf¬
bewahren. Und diese Leute meinen, wenn sie jetzt von den Römern besiegt
würden, in Knechtschaft zu geraten." (Nach Rllmers.)
b) Die Friesen. Der Name dhauken verschwand später ganz. Den größten
Teil ihrer Wohnsitze nahmen die Friesen ein, die von der Rheinmündung her
in die verlassenen Gebiete eindrangen. Sie wurden Gstfriesen genannt im
Gegensatz zu den in Holland zurückgebliebenen Westfriesen. Allmählich dehnten
sie ihre Herrschaft auch auf die Wesermarschen aus und besiedelten am rechten
Ufer die Marschen Gsterstade, das Land Wührden und das Land Wursten. Sie
nahmen den Kampf mit den wütenden $Iuten auf, bauten Deiche und schufen
so nach und nach den herrlichen Marschengürtel unseres Landes.
c) Die flngrinorter. Sie bewohnten südlich von den Ehauken zu beiden
Seiten der Weser einen breiten Landstrich, der im Westen bis zum Dümmersee,
im Süden bis fast ans Gebirge, etwa bis zum Steinhuder Meer, reichte. Ihre
Südgrenze war durch einen langen Wall bezeichnet.
(1) Die £ongobaröen. Sie bewohnten das heutige Lüneburgsche, das
man noch jetzt als Bardengau bezeichnet. Ihre Nachbarn waren im
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