Nummer 193.
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nicht um? ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vog¬
lern so lieblich singen? du gehst ja für dich hin, als wenn
du zur Schule gingst, und ist so lustig haußen in dem
Wald.“
II.
Rotkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah,
wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her
tanzten und alles voll schöner Blumen stand, dachte es:
Wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mit¬
bringe, der wird ihr auch Freude machen; es ist so früh
am Tag, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme, lief
vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen.
Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es, weiter hinaus
stände eine schönere, und lief danach und geriet immer
tiefer in den Wald hinein. Der Wolf aber ging gerades¬
wegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die
Türe. „Wer ist draußen?“ — „Rotkäppchen, das bringt
Kuchen und Wein, mach auf!“ — „Drück nur auf die
Klinke!“ rief die Großmutter, „ich bin zu schwach und
kann nicht aufstehen.“ Der Wolf drückte auf die Klinke,
die Türe sprang auf, und er ging, ohne ein Wort zu
sprechen, gerade zum Bett der Großmutter und ver¬
schluckte sie. Dann tat er ihre Kleider an, setzte ihre
Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor.
Rotkäppchen aber war nach den Blumen herumge¬
laufen, und als es so viel zusammen hatte, daß es keine
mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein,
und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es w'underte
sich, daß die Türe aufstand, und wie es in die Stube
trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dachte:
Ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mir’s heute zu Mut,
und bin sonst so gerne bei der Großmutter! Es rief:
„Guten Morgen!“ bekam aber keine Antwort. Darauf
ging es zum Bett und zog die Vorhänge zurück; da lag die
Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt
und sah so wunderlich aus. „Ei, Großmutter, was hast
Hessel. Lesebuch 1. 11. «ufl. 10