290
mehr als 1 % tausend Palästen, unter denen die in Gestalt eines
Dreiecks angelegte uralte Kirche und Burg der Czaren, der
Kreml, mit seinen wunderlich geformten, theils vergoldeten, theils
in grellen Farben schimmernden Kuppeln und Thürmen hervorragte.
Moskau's Bevölkerung betrug damals etwa 400,000 Seelen, die
zuni Theil freilich nur ärmliche Hütten bewohnten, während An¬
dere kostbare Marmorpaläste hatten und in den Bazars (Waaren-
gewölben) die Reichthümer Asiens zur Schau auszulegen ver¬
mochten. In diese an Vorräthen reiche Stadt zog Napoleon un¬
gehindert ein und schlug sein Hauptquartier in der alten Czarenburg,
dem Kreml, auf, meinend, hier den Frieden dictiren zu können.
Noch aber war mit der Eroberung der Hauptstadt der Krieg nicht
entschieden. Die Franzosen fanden bei ihrem Einzuge die Straßen
fast menschenleer; von der ganzen Einwohnerschaft war nur eine
kleine Zahl zurückgeblieben, nieist aus den Gefängnissen entlassene
Verbrecher und mehrere patriotische Männer, welche von Rostop-
schin, dem Befehlshaber von Moskau, den Befehl empfangen
hatten, Feuer anzulegen. Schon in der ersten Nacht brach an
mehreren Stellen das Feuer aus; die Franzosen eilien herbei, um
zu löschen; allein man hatte die Spritzen entfernt. Napoleon be¬
fahl, jeden Brandstifter, dessen man habhaft werden könne, zu er¬
schießen; aber diese saßen am Tage in sichern Verstecken, und
zur Nachtzeit trieben sie ihr unheimliches Werk weiter, indem sie
sich mit Feuerbränden — Pechkränzen und Fackeln — in verschie¬
dene Straßen vertheilten und so den von R o stop sch in ihnen er-
theilten schauerlichen Auftrag vollzogen. In der nächsten Nacht
stiegen wiederuni an vielen Orten Fenersäulen empor. Ein heftiger
Wind sachte die Flammen an, und weiter und weiter griff das
zerstörende Element. Mehrere Tage lang währte der Brand,
Kirchen und Paläste sanken in Asche. Es war vergebens dem
Elemente Einhalt zu thun; die Soldaten suchten nur noch Beute
zu machen. Die Flammen wälzten sich immer näher zum Kreml
heran, und aui dritten Tage kamen sie diesem schon so nahe, daß
Napoleon nur mit Mühe und mit halb verbrannten Kleidern
dem schrecklichen Feuertode entging. Viele Soldaten, die sich mit
Schätzen beladen hatten, suchten vergebens den Rückweg; sie star-
en in den Flammen. Nach sechs Tagen erlosch endlich die Gluth,