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Patriotische Gedichte.
Kaiser Rotbarts Testament.
Im alten Berg Kyffhäuser,
Dort im Thüringer Land,
Da schläft der Kaiser Friedrich,
Der Rotbart beibenannt.
Er sitzt an seinem Tische
Und träumet schwer und bang':
„Mein Deutschland, o mein Deutschland,
Der Bart wächst gar zu lang!"
Da horch! es hallt und dröhnet,
Es bebt der alte Turm:
Das ist kein Ungewitter,
Das ist ein andrer Sturm!
Der Kaiser Friedrich recket
Sich aus dem Schlaf und spricht:
„Wo bleiben denn die Raben?
Die Raben fliegen nicht!"
„Erwache, alter Kaiser,
Gekommen ist die Zeit
Von Deutschlands Ruhm und Größe,
Von Deutschlands Einigkeit!"
(K. Köllsch.)
Der Kaiser hat von Golde
Die Rüstung angethan,
Und mit gewalt'gem Schritte
Steigt er den Berg hinan.
Und wie er sieht die Heere
Aus allen deutschen Gau'n —
Mit Thränen in den Augen,
Er mag sich selbst kaum trau'n
Und sieht sie zu einander
Einmütig alle stehn,
Um sür die deutsche Sache
In Kampf und Tod zu gehu
Und wie er hört die Lieder:
„Fest steht die Wacht am Rhein
Und „Deutschland über alles",
„Ganz Dentchland soll es sein!"
Und wie er sieht den Alten,
Den Königlichen Greis,
Da nist er: „Deutschland einig,
Dem Herrn sei Lob und Preis?
„Nun kann ich selig schlafen,
Und hier mein Testament:
„Das Zepter und die Krone
Leg' ich in deine Händ'."
Die Trompete von Vionville.
(F. Freiligrath.)
Sie haben Tod und Verderben g'espie'n:
Wir haben es nicht gelitten.
Zwei Kolonnen Fußvolk, zwei Batterie'n,
Wir haben sie niedergeritten.
Die Säbel geschwungen, die Zäume verhängt,
Tief die Lanzen, und hoch die Fahnen,
So haben wir sie zusammengesprengt, —
Kürassiere wir und Ulanen.
Doch ein Blutritt war's, ein Todesritt!
Wohl wichen sie unsern Hieben;
Doch von zwei Regimentern, was ritt und was stritt,
Unser zweiter Mann ist geblieben!