116 Die Verhältnisse in Preußen. Regentschajt.
Regierung aber war durch die Sorge für die endliche Erwerbung Preußens
und durch die jülichschen Erbfolgestreitigkeiten noch besonders erschwert. Dazu
kam, daß Johann Sigismund selbst durch den Uebertritt zur reformirten Con-
fesfion sich in große Zerwürfnisse mit seinen Unterthanen brachte, wodurch
Brandenburgs Kraft in der hereinbrechenden gewaltigen Zeit gelähmt wurde.
Die Verhältnisse in Preußen; Albrecht Friedrich's Geistesschwäche.
Regentschaft. Werfen wir zuerst einen Blick auf die Verhältnisse in Preu¬
ßen. Früher, als man geahnt hatte, trat der Fall ein, wo die erlangte
Anwartschaft der brandenbnrgischen Fürsten auf das Herzogthum Preußen
zum wirklichen Besitz desselben führen sollte.
Herzog Albrecht hatte als einzigen Erben seinen fünfzehnjährigen Sohn
Albrecht Friedrich hinterlassen und durch sein Testament die Vormund¬
schaft über denselben den preußischen Regimentsräthen, die Obervormnnd-
schaft dem König von Polen übertragen (1568). Die Regimentsräthe, d. i.
die bedeutendsten unter den adeligen Hofbeamten, der Hofmeister, der oberste
Burggraf, der Kanzler und der Obermarschall hatten in Gemeinschaft mit
einigen hohen Geistlichen schon Herzog Albrecht's Schwäche benutzt, um ihren
Einfluß auf alle Weise zu erhöhen; jetzt schien ihnen die Minderjährigkeit des
jungen Herzogs eine noch günstigere Gelegenheit zu rücksichtslosem Schalten
und Walten. Um der Obervormnndschast des Königs von Polen entledigt
zu sein, gaben sie vor, Albrecht Friedrich, obwohl erst fünfzehn Jahre alt, sei
doch bereits so reisen Verstandes, daß er selbstständig regieren könne; sowie
aber der König von Polen seine Zustimmung hierzu gegeben hatte, begannen
sie unter dem Namen des scheinbar unabhängigen Herzogs ganz nach Willkür
zu regieren. Albrecht Friedrich war von Natur gut begabt, aber bei Weitem
noch nicht so weit entwickelt, daß er allein den Ränken und der Herrschsucht
jener zu seiner Unterdrückung vereinigten Männer zu widerstehen vermocht hätte.
Dieselben gingen mit ihm hart und lieblos um und wußten ihn durch List und
Drohungen in allen Dingen ihrem Willen fügsam zu machen. Daher kam
es, daß sich allmälig ein tiefer Mißmuth, Argwohn und Menschenhaß seiner
bemächtigte: überall von boshaften Verfolgungen umgeben, faßte er zuletzt
den Verdacht, man wolle ihn vergiften, und oft rief er aus: „Sie haben mei¬
nen Vater betrübt und geplagt bis in die Grube, also thun sie auch mir."
Er war mit der Prinzessin Eleonore von Cleve verlobt worden und hatte
der Vermählung mit derselben freudig eutgegengesehen, als aber die Braut mit
ihrem Vater in Königsberg einzog, war der Herzog bereits so tief in Schwer-
rnuth und in Geistesverwirrung gesunken, daß er nicht dazu bewogen werden
konnte, sich ihr zu nähern; nur durch Drohungen seiner Hofleute wurde er
fast mit Gewalt dahin gebracht, daß die Vermählung vollzogen werden konnte.
Da nun der Zustand des Herzogs sich immer verschlimmerte, so erschien
endlich die Einsetzung einer Regentschaft für denselben unerläßlich. Vergeblich
bemühten sich jedoch die Regimentsräthe, die Herrschaft auch jetzt an sich zu
reißen: der König von Polen übertrug die Regentschaft dem Markgrafen
Georg Friedrich von Jägerndorf (1577), und dieser richtete sofort sein
Hauptbestreben darauf, die herzogliche Gewalt von dem übermächtigen Ein¬
flüsse der Regimentsräthe wieder zn befreien. Als er aber im Jahre 1603
starb, ging die Regentschaft auf den Kurfürsten Joachim Friedrich von