Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Friedrich Wilhelm's Iugenvjahre und Regierungsantritt. 217 
feiten blieben auf den bloßen natürlichen Menschenverstand beschränkt, Lust 
und Liebe zu den Wissenschaften, Geschmack für Kunst und feinere Bildung 
blieben ihm fremd; seine Sitten befestigten sich immer mehr tu roher Derb¬ 
beit und seine heftigen Leidenschaften brachen oft in dem gewaltsamsten Un¬ 
gestüme aus. In Rede und Haltung trat bei ihm frühzeitig eine kräftige Ge¬ 
radheit, eine Abneigung gegen allen Zwang hervor.; seine Thätigkeit, der Wis¬ 
senschaft abhold, richtete sich bald nur auf das, was er für unmittelbar nütz¬ 
lich hielt.^ Dabei hatte der Prinz aber frühzeitig eine einfache, strenge Reli¬ 
giosität und einen rechtschaffenen Sinn, der zwar von Leidenschaft hier und 
da überfluthet wurde, doch sich immer geltend machte. 
Seine Neigung ging frühzeitig auf Soldatenwesen und auf Geld. Die 
noch vorhandenen Rechnungen über des Prinzen Taschengeld zeigen, wie spar¬ 
sam er war, außer für seine Compagnie Cadetten. Der Vater hatte ihm näm¬ 
lich gestattet, eine solche aus adeligen Knaben seines Alters zu bilden; sie 
hatten ihre besondere Uniform, wurden an bestimmten Tagen geübt und 
brachten es bald zu großer Fertigkeit in den Waffen. Dieses Soldatenwesen 
war dem Prinzen die liebste Beschäftigung, er faßte eine wahre Leidenschaft 
für die kleine Truppenschaar und war immer unermüdet, sie zu exercireu und 
herauszuputzen. Während er nur sehr oberflächliche wissenschaftliche Kennt¬ 
nisse erhielt, selbst die Muttersprache und das Französische weder gut sprach 
noch schrieb, war er in Leibesübungen, im Reiten und vorzüglich in Allem, 
was zur Hebung der Truppen gehörte, sehr fest. Als er sechszehn Jahre ge¬ 
worden, bildete er sich halb ohne Wissen des Vaters ein besonderes Bataillon 
zu Wusterhausen, zusammengesetzt aus geschickten Offizieren und ansehnlichen 
Leuten, und kümmerte sich sehr genau um alle Einzelheiten der Bekleidung, 
Bewaffnung und Uebung. Eine besondere Liebhaberei für lange Soldaten 
hatte er schon als Knabe, und der Fürst Leovold von Dessau half ihm heim¬ 
lich solche herbeischaffen. 
In den späteren Jugendjahren nahm der Kronprinz Theil an den Sitzun¬ 
gen des Geheimen Rathes, auch durch Reisen sollte seine Ausbildung geför¬ 
dert werden, aber das Interessanteste war ihm hierbei das Feldlager Mart- 
borongh's, aus welchem er vielfachen Stoff zu neuen militärischen Exercitien 
zurückbrachte. 
Friedrich Wilhelm's Regierungsantritt und sein Streben. Bei 
solcher Eigenthümlichkeit Friedrich Wilhelm's war zu erwarten, daß seine Re¬ 
gierungsweise eine ganz andere sein würde, als die seines Vaters; gleich nach 
Friedrich's Tode trat klar hervor, wie es sein Nachfolger zu halten gedachte. 
Nachdem er am Todbette seines Vaters seinem Thränenstrome freien Lauf 
gelassen, schritt er rasch durch die int Vorsaale wartenden Hofleute in sein 
Zimmer, ließ sich sofort die zahlreiche Liste der Hofbeamten vorlegen und 
strich aus derselben alle Kammerjunker, Hofjunker, Ceremonienmeister, über¬ 
haupt den größten Theil des gesammten glänzenden Hofstaates; diejenigen, 
welche er beibehielt, wurden auf geringere Besoldung gesetzt. Die Zeit des 
prunkenden Hoflebens war vorüber. Nur noch einmal sollte dasselbe sich in 
altem Glanze zeigen, die Leichenfeier Friedrich's I. wurde dessen eigenen Nei- 
gungen gemäß mit aller Pracht und Herrlichkeit begangen. Kaum aber war 
dieselbe beendigt, so legte der neue König Friedrich Wilbelm I. militärische
	        
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