2 Die Germanen und die Wenden.
gliedertes Ganzes, weil sie durch die hochstrebende und glückliche Thatkraft
des hohenzollernschen Regentenhauses nach und nach erworben und durch ein
Band innerer geistiger Einheit eng verbunden worden sind. Die preußische
Geschichte kann deshalb nicht, wie etwa die Geschichte Frankreichs oder Spa¬
niens, mit einer Schilderung der Zustände des Gesammtvaterlandes von den
ältesten Zeiten an beginnen, weil es damals ein solches zusammengehöriges
Land eben noch nicht gab; die Geschichte Preußens ist vielmehr gerade die Ge¬
schichte von der allmäligeu Bildung und Erweiterung des von den
hohenzollernschen Fürsten regierten Landes. Sie beginnt da, wo
der Grundstein der Monarchie gelegt wurde, in der alten Mark Brandenburg.
1. Die Wenden und ihr Kampf gegen das Christenthum.
Die Germanen und die Wenden. Die älteste Geschichte des bran-
denbnrgischen Landes ist in tieses Dunkel gehüllt. Während wir über die
Stämme im übrigen Deutschland manche Kunde durch die Römer erhalten
haben, welche sich auf ihren Kriegszügen in das Innere Deutschlands mit den
Zuständen und Sitten des alten Germanenvolks bekannt machten, so erfahren
wir von ihnen über die Völker zwischen der Elbe und der Ostsee wenig oder
nichts. Die Kriegszüge und Eroberungen der römischen Legionen drangen in
das spätere brandenburgische Gebiet nicht vor, und auch die östlich-benach¬
barten Länder wurden von den Römern nicht betreten.
Nur die Küsten der Ostsee lockten schon in der alten Zeit die Schiffe der
handeltreibenden Völker herbei, welche den einst so berühmten Bernstein dort
holten. Schon Jahrhunderte vor Christi Geburt segelten Kaufleute aus Phö-
nizien und aus Massttia (Marseille) dahin, um jenes Erzeugniß des Meeres,
welches zu den größten Kostbarkeiten gezählt wurde, zu gewinnen, und auch zu
Lande wurde der Bernstein von der Küste der Ostsee, die Weichsel hinauf
über Kalisch (Calisia) bis an das adriatische Meer gebracht; doch die Nach¬
richten über die Zustände Norddeutschlands, welche durch jene Handelsfahrten
zu den Völkern des Alterthums gelangten, waren vermuthlich sehr dürftig,
oberflächlich und unsicher, und sind für uns nicht aufbewahrt worden. Die
römischen Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt wissen
kaum die Hauptstämme der Völker zu bezeichnen, welche damals zwischen der
Elbe und Weichsel ihre Wohnsitze hatten. Sie nennen am Ausfluß der Weichsel
Gothen, weiterhin an den Mündungen der Oder und Elbe Rugier und
Burgunder, in der spätern Mark Brandenburg aber Semnonen, den
Hauptstamm des großen Suevenbnndes, und neben ihnen bis über die Elbe
hinaus Longobarden.
Die große Völkerwanderung, welche seit dem vierten Jahrhundert nach
Christi Geburt die Gestalt Europas veränderte, ließ auch jene nordöstlichen Ge¬
genden Deutschlands nicht unberührt. Die meisten der hier ansässigen Stämme
zogen gegen Süden: die Burgunder gründeten an der Grenze Galliens, die
Longobarden in Italien neue, schnell aufblühende Reiche. In die verlas¬
senen Gegenden diesseits der Elbe dagegen drangen andere Stämme herein.
Slavische Völker kamen zuletzt vom Südosten über die Karpathen her¬
über; Wenden ließen sich aU der Weichsel nieder und wurden sodann von an-