Tie zweklr. Theilung Polens. 353
war, sich die Ansichten geändert hatten. Nach der Beendigung des Türken¬
kriegs schien Rußlands Machterweiterung nicht mehr so drohend, mit Oester¬
reich war Preußen in ein enges Bündniß getreten, und die ganze Sorge der
preußischen Regierung war auf die Bekämpfung des revolutionären Geistes
gerichtet, welcher von Frankreich aus die Völker zu ergreifen drohte. Nun
hatten aber auch in Polen die Vertheidiger der neuen Verfassung sich theil-
weise zu den revolutionären Ideen Frankreichs hingeneigt, und nach und nach
traten in den Versammlungen und Clubs der sogenannten patriotischen Partei
Anzeichen hervor, welche auf den Einfluß der französischen Jakobiner schließen
lassen mußten. Friedrich Wilhelm sagte sich daher geradezu von ihrer Sache
los. Die Patrioten verzweifelten jedoch nicht. Kosziusko, ein tapferer
Edelmann, welcher in Amerika unter dem Freiheitshelden Washington ge¬
fochten, trat an die Spitze des auf allen Seiten begeistert aufstehenden Volkes
und widerstand bei Dnbienka ruhmvoll der russischen Uebermacht. Aber die
inneren Parteiungen und der Wankelmuth des Königs Stanislaus lähmten
Kosziusko's Kraft, welcher nach vergeblichen Anstrengungen mit seinen eifrigsten
Anhängern das Vaterland verließ. Rußland hatte nun ganz Polen in seiner
Gewalt und bot Preußen eine neue Theilung des ohnmächtigen Landes an.
Preußen ging daraus ein und ließ seinerseits ein Heer in Polen einrücken.
In einer öffentlichen Erklärung vom 6. Januar 1793 hob Friedrich Wilhelm
besonders die Gefahr hervor, welche von der Verbreitung des französischen
Demokratismus in Polen durch die Grundsätze der jakobinischen Clubs seinen
eigenen Ländern gedroht habe. Im Begriff, einen neuen Krieg gegen die Re¬
volution in Frankreich zu führen, dürfe er nicht den Revolutionärs in seinem
Rücken freie Hand lassen, müsse vielmehr die Ausrührer unterdrücken helfen,
Ordnung und Ruhe wiederherstellen und die Wohlgesinnten in seinen Schutz
nehmen. Wohl hatte der König einiges Recht zu solcher Erkläruug; denn so
eben hatte eine polnische Deputation vor dem französischen Nationalconvent
versichert, daß die ganze polnische Nation die jakobinischen Grundsätze theile,
und die französischen Schreckensmänner hatten Kosziusko zum Ehrenbürger
ernannt.
In der bald darauf erfolgten zweiten Theilung Polens (16. April
1793) erhielt Preußen die Städte und Gebiete von Danzig und
Thorn (welche mit Westpreußen vereinigt wurden) und den größten Theil
des früheren Großpolens, nämlich die vorher noch nicht in Besitz genom¬
menen Theile der Wohwodschafteu Posen, Gnesen, Jnowraclaw,
ferner Kalifch, Plock u. s. w. (welche unter dem Namen Südpreußen
vereinigt wurden), endlich den Bezirk C z e n st o ch a u (von der Woywodschaft
Krakau), im Ganzen über 700 Quadratmeilen mit mehr als einer Million
Einwohner, wogegen es die litthauische Herrschaft Tauroggen an Rußland
abtrat. Der polnische Reichstag mußte nothgedrungen seine Zustimmung zu
der neuen Verkleinerung des Königreichs geben, aber das tief gekränkte Volk
erhob sich noch einmal unter der Leitung des heimlich zurückgekehrten Kos¬
ziusko und seines Freundes Madalinski (1793).
Kosziusko, zum unumschränkten Befehlshaber ernannt, erließ von Krakau
aus einen Aufruf aus Volk, zur Wiederherstellung der Freiheit und Wieder¬
eroberung der entrissenen Landestheile. Ein erster Sieg der Patrioten trieb
Hahn, preuh. Gesch. 20. Aufl. 23