354 Die dritte Theilung Polens; Anspach und Baireuth.
auch die Hauptstadt Warschau zum Ausstande: die ganze russische Besatzung
wurde niedergemacht, die bekanntesten Anhänger Rußlands an den Galgen
gehängt, Kosziusko rückte glücklich vor, während Madalinski im Rücken der
Preußen den Aufstand schürte und sie hierdurch zum Rückzüge zwang. Bald
aber rückte unter Rußlands erstem Feldherrn Suwaroff ein gewaltiges
Heer in Polen ein, während auch die Preußen von Neuem vorgingen und
Kosziusko bei Scelze (1794) besiegten; kurz darauf (10. October) wurde
der polnische Freiheitsheld von Suwaroff bei Madziewie geschlagen und ge¬
fangen genommen. Mit dem Rufe Finis Poloniae (Polens Ende) war er
verwundet vom Pferde gesunken, und seine düstere Ueberzeugung sollte bald
bestätigt werden, denn schon am 9. November hielt Suwaroff nach blutigen
und grausamen Scenen in der mit Sturm genommenen Vorstadt Praga seinen
siegreichen Einzug in Warschau und im März 1795 erfolgte durch Verträge
zwischen Rußland, Preußen und Oesterreich die dritte und letzte Theilung
Polens. In dem (erst 1797 endgültig abgeschlossenen) Theilnngstractate
erhielt Preußen das Gebiet von Warschau und das Land links der
Weichsel bis zum Palatinat Krakau an der schlesischen Grenze hin, sowie
einige litthauische Woywodschaften links vom Niemen. Diese Er¬
werbungen, im Ganzen wieder etwa 1000 Quadratmeilen und eine Million
Einwohner umfass end, erhielten den Namen N e u - O st p r e u ß e n.
Polen war durch selbstverschuldete Schwäche und durch innere Unord¬
nung ein Opfer ftemder Gewaltthat geworden. Wenn Preußen sich bei der
Vernichtung der polnischen Selbstständigkeit betheiligte, so wirkte außer den
erwähnten Gründen sicherlich auch die Rücksicht mit, daß andernfalls Ru߬
land allein oder Rußland mit Oesterreich die leichte Beute an sich gerissen
hätten. Jedenfalls aber hat die preußische Regierung vom Augenblicke der
Erwerbung der polnischen Lande an mit allem Eifer dahin gestrebt, ihre neuen
Unterthanen den Verlust der nationalen Selbstständigkeit durch Erhöhung
ihrer bürgerlichen Wohlfahrt vergessen zu machen. Große Summen sind seit¬
dem immer von Neuem auf die Emporbringung der polnischen Provinzen
verwandt worden. Der Landmann, seit Jahrhunderten von dem Edelmanne
unterdrückt, fühlte zum ersten Male wieder den wohlthuenden Schutz der Ge¬
setze und bürgerlichen Freiheit, die Bildung des armen, verwilderten Volkes
wurde auf alle Weise verbessert, der Gewerbfleiß geweckt und unterstützt.
Friedrich Wilhelm II. hatte noch durch eine andere Ländererwerbung
das Gebiet Preußens erweitert. Der letzte Markgraf von A n s p a ch und
Baireuth war kinderlos und schloß im Jahre 1791 in Uebereinstimmung
mit den alten Hausverträgen ein Abkommen mit dem Könige von Preußen,
nach welchem er demselben bald darauf (1792) noch bei Lebzeiten die Re¬
gierung in jenen Fürstenthümern, den alten Erblanden des brandenbnrgifchen
Hauses, abtrat. Friedrich Wilhelm übertrug die Verwaltung der neu er¬
worbenen Provinz, nachdem er dieselbe durch Patent vom 3. Januar 1792
in Besitz genommen, dem Freiherrn von Hardenberg, welcher dort seine
hohe Begabung für die Regierungsgeschäfte glänzend bekundete. Der Ueber-
gang der Fürstentümer an Preußen wurde auch Veranlassung, daß der von
den früheren Markgrafen gestiftete rothe Adlerorden erneuert und nächst
rem schwarzen Adlerorden zum zweiten Ritterorden der Monarchie erklärt wurde.