428 Napoleon's Rückkehr von Elba; der enue Kampf.
Auftreten der Bourbonen in Frankreich schon vielfach hervorgerufen hatte;
der Augenblick schien ihm günstig, durch einen kühnen Streich noch einmal die
verlorene Herrschaft an sich zu reißen. Mit 1100 seiner alten Soldaten ver¬
ließ er am 26. Februar 1815 die Insel Elba, entging glücklich den im Mittel-
meere kreuzenden Schiffen der Engländer und stieg am 1. März zu Cannes
in der Provence ans Land. Er hatte sich in Bezug auf das französische Volk
nicht getäuscht; in Südfrankreich mit Begeisterung aufgenommen, sah er von
Schritt zu Schritt die Zahl seiner Anhänger wachsen. Mit seiner alten
stolzen Zuversicht rief er aus: „Mein Adler wird von Kirchthurm zu Kirch¬
turm vor mir herfliegen, bis er sich auf dem Thurme von Notre - Dame in
Paris niederlassen wird." Ueberall gingen die Truppen zu dem einst sieg¬
gewohnten und noch verehrten Feldherrn über, und auch die Feldherren,
welche Ludwig XVIII. zu seiner Bekämpfung aussandte, standen ihm kaum
gegenüber, als sie den König verriethen und sich der Sache des gefallenen
Kaisers anschlossen. Ludwig XVIII., von Allen verlassen, floh nach Gent in
Belgien; Napoleon aber zog am 20. März in Paris ein und wußte durch
gleißnerische Proclamatiouen, in denen, wie früher, von Freiheit und Ruhm
viel die Rede war, die Massen schnell für sich zu begeistern.
L)owie aber die überraschende Kunde zu den in Wien versammelten
Fürsten gelangte, da vergaßen sie allen Streit und Hader, um nur des Einen
gedenk zu sein, des Uebermuthes nnd der Tyrannei, welche der korsische
Emporkömmling so lange über ganz Europa geübt hatte: eiumüthig erhoben
sie sich zu einem großen Entschlüsse, — sie erklärten Napoleon, als einen
Störer der Ruhe und des Friedens in Europa, von aller Gemeinschaft der
Guten ausgeschlossen und gerechter Strafe anheimgefallen, feierlich in die
Acht aller europäischen Völker. Unverzüglich wurde von Neuem
zum allgemeinen Kampfe gerüstet.
Der neue Kampf. Preußen that es an Eifer und Anstalten zum Kriege
wiederum allen Mächten zuvor: die Waffenregsamkeit im Volke, die Schnellig¬
keit und der Umfang der Rüstungen setzten in Erstaunen. Die jungen Frei¬
willigen, kaum an den Heerd der Ihrigen zurückgekehrt, legten mit derselben
Freudigkeit, wie vor zwei Jahren, den Waffenschmuck wieder an. Blücher
wurde zum Oberbefehlshaber der am Rheine zu versammelnden Heeresmacht
ernannt. Gleich als die erste Nachricht von Napoleon's Flucht gekommen
war, rief Blücher aus: „Wir müssen wieder von vorn anfangen," und sofort
legte er seinen schlichten Bürgerrock wieder ab und zeigte sich unter den Lin¬
den in Berlin hi der Feldmarschallsuniform. Das Volk freute sich des Kriegs*
Zeichens und jauchzte dem 73jährigen Helden Beifall zu. Am 19. April kam
er in Lüttich an, wo er sein Hauptquartier nahm; Wellington mit Eng¬
ländern, Hannoveranern u. s. w. stand weiter hin in Holland, Fürst
Schwarzenberg mit Oesterreichern, Baiern u. s. w. nahm seine Stellung
von der Schweiz bis zum Mittelrheine. Napoleon war rasch entschlossen: er
wandte sich zuerst gegen Blücher, hoffte diesen leicht zu vernichten und dann
mit Schwarzenberg fertig zu werden. Am 11. Juni rückte er von Paris aus.
„Soldaten," sprach er zu seinem Heere, „heut' ist der Jahrestag von Marengo
und Friedland, der zwei Mal das Schicksal Europa's entschied. Damals,
wie öfters, waren wir zu großmüthig. Wir ließen die Fürsten auf