496 Ansprache an daS Staatsministerium.
Phrase zu warnen, daß die Regierung sich fort und fort treiben lassen müsse,
liberale Ideen zu entwickeln, weil sie sich sonst von selbst Bahn brächen. Ge¬
rade hierin müsse sich die Staatsweisheit zeigen. Wenn in allen Regierungs¬
handlungen sich Wahrheit, Gesetzlichkeit und Consequenz ausspreche, so sei ein
Gouvernement stark, weil es ein reines Gewissen habe, und mit diesem habe
man ein Recht, allem Bösen kräftig zu widerstehen.
An diese allgemeineren Grundsätze knüpfte der Regent kurze Andeutungen
über die Richtung der Verwaltung im Einzelnen. In den inneren Ver¬
hältnissen sei man seit 1848 von einem Extreme zum anderen geworfen
worden: von einer Gemeindeordnung, die ganz unvorbereitet Selbstverwal¬
tung einführen sollte, sei man zu den alten Verhältnissen zurückgedrängt wor¬
den. Daran müsse die bessernde Hand angelegt werden, aber vorerst müsse
man bestehen lassen, was eben erst wieder hergestellt sei, um nicht neue Un¬
sicherheit und Unruhe zu erzeugen. Als eine der schwierigsten und zugleich
zartesten Ausgaben der Regierung bezeichnete der Regent die kirchliche.
Zunächst müsse zwischen beiden christlichen Consefsionen eine vollständige
Parität herrschen. In der evangelischen Kirche kündigte er die Aufreckthaltnng
und Weiterbeförderung der Union unter aller billigen Berücksichtigung des
konfessionellen Standpunktes als seinen festen Willen und Entschluß an. In
der Beurtheilung alles Kirchenwesens sei ins Auge zu fassen, daß die wahre
Religiosität sich im ganzen Verhalten des Menschen zeige; von den höheren
Ständen sei das Beispiel kirchlichen Sinnes zu geben. Der katholischen Kirche
seien ihre Rechte verfassungsmäßig festgestellt, Uebergriffe über diese hinaus
seien nicht zu dulden. Die Armee habe Preußens Größe geschaffen und
dessen Wacksthum erkämpft; ihre Vernachlässigung habe eine Katastrophe
über den Staat gebracht, die glorreich verwischt worden sei durch die zeit¬
gemäße Reorganisation des Heeres, welche die Siege des Befreiungskrieges
bezeichneten. Aber eine vierzigjährige Erfahrung habe auch jetzt darauf auf¬
merksam gemacht, daß Manches, was sich nicht bewährt habe, geändert werden
müsse. Dazu gehören ruhige politische Zustande und Geld, und es würde
ein schwer sich bestrafender politischer Fehler sein, wollte man mit einer wohl¬
feilen Heeresverfassung prangen, die im Momente der Entscheidung den Er¬
wartungen nicht entspräche. Preußens Heer müsse mächtig und angesehen sein,
um, wenn es gelte, ein schwerwiegendes politisches Gewicht in die Wagschale
legen zu können. Endlich in Bezug aus die Stellung nach außen müsse
Preußen mit allen Großmächten im freundschaftlichen Vernehmen stehen, ohne
sich fremden Einflüssen hinzugeben und ohne sich die Hände frühzeitig durch
Tractate zu binden. In Deutschland müsse Preußen moralische Eroberungen
machen durch eine weise Gesetzgebung bei sich, durch Hebung aller sittlichen
Elemente und durch Ergreifung von Einigungs - Elementen, wie der Zoll¬
verein es sei, der jedoch einer Reform bedürfe. Die Welt müsse wissen, daß
Preußen Überall das Recht zu schützen bereit sei. Ein festes consequentes und
wenn es fein müsse, energisches Verhalten in der Politik, gepaart mit Klug¬
heit und Besonnenheit, müsse Preußen das politische Ansehen und die Macht¬
stellung verschaffen, die es durch seine materielle Macht allein zu erreichen
nicht im Stande sei.
Dies sind im Wesentlichen die Grundsätze, nach welchen der Prinz-