500 Die Krönungsfeier.
Die Krönungsfeier (18. October 1861). Die Vorfahren des Kö¬
nigs hatten bei ihrem Regierungsantritte die Erbhuldigung des Landes ent¬
gegengenommen. Wilhelm I. beschloß, statt dieser Erbhuldigung mit Rücksicht
auf die Veränderungen, welche in der Staatsverfassung eingetreten waren,
die feierliche Krönung zu erneuern, durch welche von König Friedrich I. die
erbliche Königswürde begründet worden.
Bei Ankündigung dieses Beschlusses sagte der König über die Bedeu¬
tung der Krönung: „Indem Wir Uns im Angesichte Gottes in Demuth
beugen und den Segen des Allmächtigen für Uns und Unser geliebtes Vater¬
land erflehen, wollen Wir durch die Feier der Krönung in Gegenwart der
Mitglieder der beiden Häuser des Landtages und der sonst von Uns zu ent¬
bietenden Zeugen aus allen Provinzen Unseres Königreiches von dem gehei¬
ligten und in allen Zeiten unvergänglichen Rechte der Krone, zu der Wir
durch Gottes Gnade berufen worden, Zeugniß ablegen und von Neuem das
durch eine glorreiche Geschichte geknüpfte Band zwischen Unserem Hause und
dem Volke Preußens befestigen."
Als der Tag der Feier, welche wie die erste Krönung in Königsberg
stattfinden sollte, wurde der 18. October bestimmt, ein Tag von doppelt freu¬
diger Bedeutung, als Gedenktag der Schlacht bei Leipzig und als Geburtstag
des Kronprinzen.
Am 14. October hielt der König mit seiner Gemahlin, umgeben von
allen Prinzen des Königlichen Hauses und anderen deutschen Fürsten, seinen
feierlichen Einzug in Königsberg, wo der gesammte Hof, alle hohen Staats¬
beamten, die Landtagsmitglieder, Deputationen des Heeres und der Stände
aller Provinzen, wie auch die besonders entsandten Krönungsbotschafter aller
deutschen und europäischen Fürsten schon vorher eingetroffen waren.
Nach mehrtägigen großartigen Festlichkeiten fand am 18. October die
Krönung in feierlichster und erhebendster Weise in der Schloßkirche zu Königs-
berg statt.
Nach der Krönungspredigt trat der König im purpurfarbenen Königs¬
mantel zum Altar hinauf. Nachdem er sein Angesicht zum Bilde des Ge¬
kreuzigten erhoben, neigte er sein Haupt auf den Altar und betete. Daraus
ergriff er die goldene Krone auf dem Altare und setzte sie sich auf das Haupt.
Unter dem Donner der Kanonen und dem Geläute der Glocken rief der cele-
brirende Geistliche mit erhobener Stimme:
„Gott, der Allmächtige, der Herr des Himmels und der Erde, bestärke
Euch in allen christlichen Tugenden, auf daß das Land durch Euer gutes
und glückliches Regiment aufblühe und daß der Tag des ewigen Reiches
wahrhaftig werde."
Indem der König dann das Scepter ergriff, rief der Geistliche:
„Gott, der Allmächtige, welcher Euch zum Herrscher über Sein Volk
gesetzt und befohlen hat, daß Ihr mit Gerechtigkeit das Volk regieren
sollt, verleihe Euch Seine Gnade, daß Ihr alle Zeit ein Scepter führet
in Gerechtigkeit und Liebe gegen Unsern Herrn Jesum Christum!"
Der König nahm dann den Reichsapfel, und der Geistliche sprach:
„Gott, der Allmächtige, verleihe Euch Seine Gnade, daß Ihr das Reich
in Macht und Wohlstand erhalten möget, Ihm zum Preise unb zur