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2. Wohl lernt' er in der Jugend einst ein rasches Roß zu reiten, 
zu schwimmen durch den wilden Strom, mit Schwert und Speer zu streiten. 
Noch ist dem Mann kein Hengst zu wild, kein Fluß zu rasch und tief, 
nur eines fällt dem Helden schwer: zu schreiben einen Brief. 
z. Da geht der große Kaiser noch beim Schreiber in die Schule 
und müht sich wie ein Schülerknab' mit seiner Federspule. 
Doch bleibt der schwertgewohnten Hand der leichte Kiel zu schwer, 
er seufzt: „Was Hänschen nicht gelernt, das lernt der Hans nicht mehr.“ 
Nun, alter Kaiser, tröste dich! Kannst du ihn schlecht nur schreiben, 
dein Name wird im deutschen Land wohl angeschrieben bleiben; 
du schriebst ihn mit dem scharfen Schwert in Erz und Marmelstein, 
du schriebst mit deinen Taten ihn ins Buch der Zeiten ein. 
Ihr Kinder aber werdet nicht mit Blut und Eisen schreiben, 
drum sollt ihr eure Schreibekunst mit Tint und Feder treiben, 
ihr grabet eure Namen nicht in Erz und Marmelstein, 
drum schreibet eure Lektion ins Schulheft sauber ein! 
z. Doch ist der letzte Punkt gemacht, so legt abseits die Schriften 
und springt hinaus in Flur und Wald, die Brust euch auszulüften, 
und sireckt die Glieder, schwingt und ringt, wie Junker Karl getan, 
das steht der deutschen Jugend wohl und schützt den deutschen Mann. 
Denn jung gewohnt ist alt getan, das Bäumchen muß man biegen, 
der alte Baum, der harte Stamm, der mag sich nimmer schmiegen, 
das lernt vom alten Kaiser Karl: das Schreiben ward ihm schwer, 
denn was das Hänschen nicht gelernt, das lernt der Hans nicht mehr! 
119. Der stumme Klãger. von Martin Greit. 
Gesammelte Werke. 1. Band. (Gedichte.) Leipzig 1895. 8. 251. 
1. Zu Zürich auf dem Markte hielt Kaiser Karl Gericht, 
bb arm, oͤb reich der Kläger, bekümmerte ihn nicht. 
Auch war ihm keine Frage und kein Verhör zur Last, 
nur um die Mittagsstunde genoß er kurze Rast. 
2. Doch um nicht aufzuhalten auch dann des Rechtes Lauf, 
ließ er vor seinem Hause eine Säule richten auf 
und drauf ein Glöcklein setzen mit einem Strang daran, 
daß, wer sein Recht begehret, sich bei ihm melden kann. 
Porger-Lemp, Lesebuch. III. 
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