Full text: Hilfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte bis zum Ausgang des Mittelalters

I. Erster Kampf zwischen Kaiser und Papst unter den fränkischen Kaisern. 
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flusse zu entziehen, den obersten Geistlichen des römischen Sprengels, 
dem Kollegium der Kardinäle, übertragen worden. Um zugleich 
einen weltlichen Rückhalt zu gewinnen und den kaiserlichen Einfluß zu 
schwächen, hatte Papst Nikolaus II. den Normannenfürsten Robert 
Guiskard bewogen, die den Griechen abgenommenen süditalischen 
Landschaften Apulien und Kalabrien vom römischen Stuhle zu Lehen 
zu nehmen. Zum Papste erhoben, erneuerte Gregor VII., der die 
Kirche von unwürdigen Dienern reinigen wollte, das Verbot der 
Simonie (Kauf und Verkauf geistlicher Stellen). Die Forderung des 
Cölibates (der Ehelosigkeit) der Geistlichen sollte dieselben ganz dem 
Dienste der Kirche zuwenden. Endlich verbot Gregor VII. dem Könige 
Heinrich IV. die Investitur, d. h. die Einsetzung der Geistlichen in 
Amt und weltliche Herrschaft durch Erteilung von Ring und Stab. 
Damit wäre dem Könige die Verfügung über ein Drittel des Reichs¬ 
gebietes entzogen, denn so viel etwa war an Reichslehen in den Händen 
der Bischöfe und der Klöster. Der Bestand des Reiches wäre ge¬ 
fährdet gewesen. Daher übte Heinrich die Investitur aus wie zuvor. 
Gregor aber nahm die gerade jetzt an ihn gelangenden Anklagen der 
deutschen Fürsten gegen den König um so williger entgegen und forderte 
ihn auf, sich wegen derselben zu rechtfertigen. Nach Empfang dieser 
Botschaft berief Heinrich die deutschen Bischöfe zu einer Synode nach 
Worms und ließ durch sie Gregor VII. absetzen. Da that der Papst 
den König in den Bann, enthob ihn seiner Würde und entband seine 
Unterthanen von dem Eide der Treue. 
Infolge des Bannes erhoben sich die Gegner des Königs aufs 
neue, au ihrer Spitze Rudolf von Schwaben. Auf einer Versammlung, 
zu Tribut) stellten sie dem Könige die Bedingung, sich in Jahres¬ 
frist vom Banne lösen zu lassen; thäte er es nicht, so wollten sie einen 
andern König wählen. Um sich dieser Schmach zu entziehen und den 
Fürsten den Vorwand zur Absetzung ihres Königs zu nehmen^ 
eilte Heinrich in Begleitung seiner Gemahlin Bertha heimlich über die 
Westalpen nach Italien. Gregor, der bereits auf der Reise nach Deutsch¬ 
land begriffen war, befand sich in Canossas, einem Schlosse der 
Gräfin Mathilde von Tuseien, seiner treuesten Anhängerin. Dort¬ 
hin begab sich Heinrich im Jahre 1077 und that in erniedrigender 
Weife Buße. Doch erst nach längerem Sträuben nahm Gregor den 
Bann vom Könige. Aber trotz der Bußfahrt nach Canossa und seiner 
Lösung vom Bann wurde Heinrich durch die Fürsten abgesetzt und der 
Herzog Rudolf von Schwaben zum Könige gewählt. 
Auf die Nachricht von diesen Vorgängen eilte Heinrich nach 
Deutschland zurück. Von allen Seiten strömten ihm zahlreiche Anhänger 
1) Tribur liegt rechts vom Rheine, südöstlich von Mainz. 
2) Speier liegt am linken Rheinufer, südlich von der Neckarmündung. 
3) Canossa liegt in der Nähe von Modena.
	        
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