Hermann Schumacher
92
Tonnen. Dieser Zahresausfall von ^5 kg für den Kopf der Bevölkerung
wurde kaunr große Beachtung verdienen. Auch der verwandte Ausfall
an Reis, von dem wir t63 000 Tonnen, sowie an Hülsenfrüchten aller
Art, von denen wir im selben Zahre rund 200 000 Tonnen einführten,
bedeutet mehr eine Unannehmlichkeit, als eine ernstliche Störung.
4. Aber das Bild verschiebt sich, wenn wir auch die Nahrungsmittel,
die zwar nicht unmittelbar, aber doch nach erfolgter Veredlung, zur Er¬
nährung des Menschen dienen, mit in Betracht ziehen. Denn an Futter¬
mitteln sind wir nicht nur zu einem kleinen Teile, sondern zu mehr als der
Hälfte auf das Ausland angewiesen. Unsere Einfuhr wies 1913 die folgenden
Überschüsse auf:
Gerste 3 202 600 t
Kleie \ 390 972 t
Mais 857 729 t
Ölkuchen 534 375 t
Reisabfälle, Treber, Schlempe usw 423 387 t
Ölfrüchte \ 7^3 218 t.
Diese wenigen Zahlen stellen einen Einfuhrüberschuß von mehr als
8 Millionen Tonnen dar, der weit überwiegend für die Fütterung unseres
Viehes in Betracht kommt, Mr fast t Milliarde Mark im Jahre haben wir
Futtermittel aus dem Auslande bezogen. Sie sind es in erster Linie, die
unseren Einfuhrüberschuß an Lebensmitteln bis zu jo Millionen Tonnen
im Jahre anschwellen lassen, das heißt bis zu einer Menge, zu deren Be¬
förderung im täglichen Durchschnitt, wie Ballod richtig berechnet hat,
to Seedampfer zu 3000 Tonnen oder t00 Eisenbahnzüge zu 30 Waggons
erforderlich sind. Mit diesem ganzen Ausfall an Nahrungsstoffen sich abzu¬
finden, ist die große und neue und lösbare Anfaabe, die der Krieg unserer
Volkswirtschaft stellt.
Diese Aufgabe in ihrer Gesamtheit hat darum so große Bedeutung,
weil zwischen menschlichen und tierischen Nahrungsstoffen enge Wechsel¬
beziehungen bestehen. Sie beruhen erstens in den Hreisen. Da die Einfuhr
bei den Futtermitteln eine viel größere Rolle spielt als beim Brotgetreide,
so muß ihr Versiegen bei jener: eine viel stärkere Preissteigerung hervor¬
rufen als bei diesen. Solche Verschiebung im Wertverhältnis der Menschen-
und Tiernahrung hat notwendig zur Folge, daß der Landwirt, um sein
wertvollstes Kapital, sein Vieh, sich möglichst zu erhalten, zur Verfütterung
des preiswertigeren Brotgetreides übergeht. Insbesondere hat die Gerste,
weil die große Einfuhr von russischer Futtergerste fortfällt und nur noch
das deutsche Erzeugnis von der hochwertigeren Öualität der Braugerste
auf den Markt kommt, eine solche Preissteigerung erfahren, daß es für den
Bauer vorteilhafter ist, den selbsterzeugten Roggen, den er unmittelbar
zur Hand hat, zu verfüttern, als die kostspieligere Gerste auf neuen wegen
mübsam sich zu beschaffen. Vor allem mußte das dort sich zeigen, wo die
Viehzucht, insbesondere die Schweinemast, fast ganz auf ausländische Mutter-