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.Nein mein Kind, aber von seiner Schwester?'
«Wie alt war sie, als sie dies schrieb, Mutter?"
«Sie war gerade dreyzehn Jahre alt."
«War ste gut, Mutter? War ste wie Laura, oder ei¬
tel und stolz?"
«Sie war gut, ste war weder eitel noch stolz, obgleich
sie ungewöhnlich schön und jedem jungen Mädchen mei¬
ner Bekanntschaft von ihrem Alter an Verstand überle¬
gen war."
..War, Mutter?» fragte Laura.
«War, mein Kind; sie ist nicht mehr — ihre Eltern
verloren sie, als sie erst fünfzehn Jahre alt war!"
7. Der Dorn.
«Hier ist die Rosenknospe, Mutter, die wir gestern
in'S Wasser setzten," sagte Nasamunde; «sieh wie schön sie
aufgeblüht ist und riech einmal; ste hat heute schon eini¬
gen Geruch. Ich bin froh, daß ich sie nicht ausgepflückt
habe. DaS «Morgen," welches ich herbey wünschte, ist
nun gekommen, Heute ist das morgen von gestern*). Darf
ich gehen und einen Hagebuttenzweig für Dich pflücken,
Mutter, damit Du ihn mit dieser Rose trägst?"
»Ja, mein Kind," antwortete ihre Mutter; «dann
folge mir den westlichen Laubengang hinunter, wir wol¬
len nach den Hyazinthen sehen.«
«Hyazinthen? — Dann will ich rechtsehr schnell ma¬
chen !» sagte sie.
In derUngeduld, ihrer Mutter den westlichen Lauben¬
gang hinunter zu folgen und die Hyazinthen zu sehen,
vergaß Rosamunde unglücklicher Weise, daß Hagebutten
♦) Diese Worte wurden von einem siebenjährigen Kinde angewandt.
d. V.