Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

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es ist nichts geschehen, die große Wasserstraße wieder herzustellen, die früher 
von Tausenden von Schiffen belebt war. Denn überhaupt ist das ganze Volk 
der Chinesen seit Jahrhunderten schon auf einer und derselben Stelle seiner 
Bildung stehen geblieben und nicht weiter fortgeschritten; es ist heute alles 
5 wie vor 500 Jahren, und die Vergangenheit ist in China die Richtschnur 
der Zukunft. 
Die chinesische Sprache, die außerdem fast in ganz Hinterasien gesprochen 
wird, besteht aus lauter einsilbigen Wörtern. Es sind deren eigentlich nur 
500, aber jedes wird in mehrfach verschiedener Weise betont, wodurch es 
10 dann wieder etwas anderes bedeutet; besonders aber werden immer neue 
Wörter durch Zusammensetzung gebildet. Die Schrift besteht nicht wie bei uns 
aus Buchstaben, sondern aus Bildern; jedes Wort hat sein eigenes Zeichen, 
und es sind daher nicht weniger als 50000 verschiedene Zeichen vorhanden. 
Auch wer nur im gewöhnlichen Leben mit Schreiben und Lesen fortkommen 
15 will, muß gegen 5000 dieser Zeichen kennen. Die Schrift wird nicht ge— 
schrieben, sondern mit dem Pinsel gemalt, und zwar nicht mit Tinte, sondern 
mit schwarzer Tusche. Trotzdem ist Schulbildung überall verbreitet. Das 
kleinste Dorf besitzt seine Schule, und so schwer es auch zu lernen ist, so kann 
doch fast jedermann lesen. Gedruckte Bücher giebt es in großer Menge, und 
20 wer im Staate ein Amt haben will, der muß etwas Tüchtiges lernen und 
schwere Prüfungen machen, die mit großer Strenge gehalten werden. In der 
Hauptstadt Peking steht ein großes Haus, das viele Säle und Tausende von 
Zimmern hat; es dient zu nichts anderem, als um solche Prüfungen zu halten, 
zu denen jährlich Tausende von jungen Leuten kommen. 
Religion und Gottesdienst liegen in China sehr darnieder. Man verehrt 
den Himmel und viele Untergötter, man hat auch mehrere Religionsstifter, 
unter denen Confucius der bekannteste ist, und mancherlei Glaubensbekenntnisse. 
Tempel und Priester sind von früher her in allen Städten, aber die Tempel 
stehen meist leer, und die Götter müssen sich begnügen, wenn man ihnen von 
Zeit zu Zeit ein Fest feiert oder ihnen Verbeugungen, Rauchwerk, verbrannte 
Papierschnitzel und Paukenschläge darbringt. Trotzdem ist der Chinese nicht 
ohne Tugenden. Ehrerbietung gegen die Eltern und gegen alle alten Leute 
ist ihm tief ins Herz geschrieben, und Mäßigkeit in Speise und Trank zeichnet 
fast jeden Chinesen aus. Auch in Nordamerika, z. B. in Kalifornien, ist der 
zö chinesische Arbeiter zu jedem Dienste willig, er arbeitet fleißig und geschickt, 
und da er für sich selbst sehr wenig gebraucht, so erwirbt er bald ein kleines 
Vermögen, mit dem er dann in seine Heimat zurückkehrt. 
An der Spitze des Reiches steht der Kaiser, der in China der Sohn des 
Himmels heißt. Er hat eine unbeschränkte Macht; er kümmert sich um das 
40 Größte und um das Kleinste; er gebietet über Tod und Leben, doch er läßt 
auch Befehl ergehen, wann ein jeder Unterthan statt der Frühlingsmütze die 
Sommermütze aufsetzen soll, und wiederum, wann es Zeit ist, die Herbstmütze 
zu tragen. Aber er muß sich doch auch sehr nach den Wünschen des Volkes 
richten, und das Volk erwartet von ihm Regen und Sonnenschein, Frost und 
Hitze, jedes zu seiner Zeit. Treffen nun Landplagen ein, so giebt der Himmel 
damit zu erkennen, daß der Kaiser schlecht regiert; dann muß dieser reuig in 
groben Kleidern Buße thun. Ja wenn Empörung ausbricht, so ist es seine
	        
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