16. Ruanda.
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16. Ruanda.
Von Adolf Friedrich, Herzog zu Mecklenburg. („Ins innerste Afrika",
Leipzig 1909, Klinkhardt & Biermann.)
Der Anfang des Monats August führte uns endlich in das Sagenland Ruanda.
Seit Wochen hatten wir diesem Erlebnis mit Spannung entgegengesehen.
Ruanda ist wohl das interessanteste Land des dentsch-ostasrikanischen Schutz-
gebietes und ganz Zentralafrikas überhaupt, wohin es nach seiner ethnographischen
und geographischen Lage gehört. Besonders interessant auch deshalb, weil es eins
der letzten Negerreiche ist, das noch in absoluter Autorität vou einem souveränen
Sultan beherrscht wird und zur deutschen Oberhoheit in nur sehr loser und bedingter
Abhängigkeit steht. Dabei ein Land, „wo Milch und Honig fließt", wo Vieh- und
Bienenzucht blüht und der kultivierte Boden reiche Erträge bringt. Ein Bergland,
dicht bewohnt, von hoher landschaftlicher Schönheit, mit unvergleichlich frischen: und
gesundem Klima. Ein Gebiet mit fruchtbarem Boden und vielen, nie versiegenden
Wasserläufen, das dem weißen Ansiedler die glänzendsten Aussichten eröffnet.
Die erste Kunde, die wir aus Ruanda erhielten, verdanken wir dem Bericht des
früheren Gouverueurs Deutsch-Ostafrikas, Grafen von Götzen, jetzigem preußischen
Gesandten in Hamburgs. Seitdem Graf Götzen im Jahre 1894 auf seinem Zug zum
Kiwu hier durchkam, hat sich, wie es scheint, nur weniges verändert. Bloß der nn-
freundliche Charakter der Bevölkerung ist unter dem ständig weiter um sich greifen-
den Europäereiufluß einer ruhigeren Haltung gewichen. Später erhielten wir dann
genaue Nachrichten über dies merkwürdige Land von Dr. Kandt, der seine Erlebnisse
mit unvergleichlichem Erzählertalent in seinem bekannten, trefflichen Werke „Caput
Nili" niedergelegt hat.
Kandt gilt mit Recht als einer der besten Kenner Ruandas. Zwei kleine Be-
sitznngen, Kagira am Mashiga-Bach und Bergfrieden am Südende des Kiwu, legen
von seiner Liebe für diesen Gebietsstrich Zeugnis ab. Neben ihn stellt sich würdig
die Persönlichkeit des Hauptmanns von Grawert, der in zehnjähriger Tätigkeit die
Residentur geführt hat, bis die Trennung von Urnndi und Ruanda eine Neu-
eiuteiluug in der Verwaltung erforderte. Grawert hat mit diplomatischem Geschick
und großer Umsicht sein schwieriges Amt verwaltet und es meisterlich verstanden, die
anfangs renitente Bevölkerung allmählich und unmerklich der deutschen Herrschaft
näherzubringen.
Ruanda ist neben Urnndi wohl das letzte Sultauat oder „Königreich" Zentral-
afrikas,das heute noch, wie vor Jahrhunderten, von einem Fürsten in unumschränkter
Autokratie beherrscht wird. Hier gelten noch die Grundsätze von ehedem. Ein Wille
regiert, und Nebensultane werden nicht geduldet.
Die Verwaltuug Ruandas weicht in ihrer äußeren Betätigung von der des
Bukoba-Bezirkes sehr erheblich ab. Wir haben gesehen, daß der Bnkoba-Bezirk eine
große Anzahl mehr oder minder gleichberechtigter Sultane beherbergt. Da für die
Verwaltung Zentralisation erwünscht ist, eine geringere Zahl von Sultanen (im Bu-
koba-Bezirk „Mukama"^ genannt) sich leichter beaufsichtigen und in der Hand behalten
läßt, so ist der dortige Resident bestrebt, allmählich, sei es durch Erbgang oder Vertrag,
1 Graf Götzen f Dez. 1910. [H.]
2 Mukama = Fürst.