fullscreen: Erdkundliches Lesebuch für die Oberstufe höherer Lehranstalten und Seminare

192 
B. Zur Länderkunde. 
Heute, am 4. Dezember, brachen wir um 8 a. m. auf und steuerten in das Land 
hinein, denn wir waren uns nunmehr über unseren einzuschlagenden Kurs uicht länger 
im unklaren. Obwohl wir auf dem Gletscher Spalten und anderen Schwierigkeiten 
begegnen dürften, die auf dem Barrier nicht vorherrschen, könnten wir auf letzterem 
doch nur bis zur 86. Parallele vordringen uud hätten uns dann dem Lande zuzu- 
wenden, um über das Gebirge hinweg zum Pole gelangen zu können. Wir fühlten, 
daß auf dieser Gletschertour Socks uns die größten Schwierigkeiten bereiten würde, 
denn wir selbst konnten uns nicht länger ablösen. Adams, Marshall und ich zogen 
310 Kilogramm, uud Wild folgte mit Socks direkt in unserer Fährte, um ihn beizeiten 
bei Antreffen einer Gletscherspalte warnen zu können. Alles ging glatt vonstatten, 
bis Marshall durch eine Schneebrücke brach und in die Spalte fiel. Es gelang ihm, 
sich mit den Armen zu halten. Der Boden dieser Spalte war nicht sichtbar. Um 
1 p. m. waren wir nahe an den Schneeabhang herangekommen, über welchen wir 
in das Innere des Landes und von dort auf den Gletscher zu gelangen hofften. Wir 
aßen unsere Mittagsration und marschierten dann weiter, fanden aber anstatt eines 
steilen, kurzen Abhanges ein langes, ziemlich steiles Gefälle. Den ganzen Nach- 
mittag hindurch mühten wir uns mit der Ladung ab, doch Socks zog verhältnismäßig 
leicht, und wir erreichten schließlich um 5 p. m. die Höhe des Passes, welche zirka 
700 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Von diesem Puukte aus war der Abstieg 
zum Gletscher ziemlich sanft, und wir kampierten um 6 p. m. unmittelbar an einer 
blauen Eismasse, in der Granitblöcke eingebettet waren, die kleine Teiche umsäumten. 
Dieses Wasser spart uns einen bestimmten Alkonsum, weil wir keinen Schnee oder 
Eis zu schmelzen brauchen. Um 8 p. m. gingen wir nach einem in jeder Hinsicht be- 
sriedigenden Tageswerk in die Zelte. Das Wetter ist jetzt herrlich, kein Windhauch 
zu verspüren, und eine warme Sonne brennt auf uns hernieder. Die Temperatur 
war mittags —4,4° R und ist jetzt —6,2° E. Der Paß, durch den wir heute 
kamen, ist in große Granitblöcke, welche bis zu einer Höhe von 700 Meter aufsteigen, 
eingepackt und tatsächlich ein großartiger Eingang zur „Heerstraße nach Süden". 
Es ist alles so interessant und jede Erscheinung von solch gigantischen Formen, daß 
sich dies kaum beschreiben läßt. 
Wir betrachten diese immensen Farbenspiele der Natur und haben das Gefühl, 
als ob uiemals wieder Menschenaugen sich an diesem Anblick ergötzen werden. Mar- 
shall — armer Kerl! — mußte heute abend einen Extramarsch von vier Meilen machen, 
denn er hatte seine Jägerjacke vom Schlitten verloren. Er fand sie nach einem 
Marsche von zwei Meilen bergan auf der Fährte. Socks frißt nicht gut; er fühlt sich 
einsam ohne seine Kameraden. Wir gaben ihm heute abend einen Trunk Tauwasser, 
doch schätzte er diese Wohltat nicht, sondern zog den Schnee an seinen Füßen vor. 
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.