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und abgehen, und das war alles. — Einige Tage im Sommer
fielen die Strahlen der Sonne eine halbe Stunde lang auf die
Kleinen Kellerfenster, und wenn dann der Knabe da sals und
sich von der warmen Sonne bescheinen liess und durch seine
kleinen, feinen Finger das Blut san, — dann hiess es: „Ja,
heute ist er draussen gewesen!“ Er kannte den Wald in
seinem wunderschönen Frühlingsgrün nur dadurch, dass des
Nachbars Sohn ihm den ersten Buchenzweig brachte, und den
hielt er dann über seinem Kopfe und träumte, er sei unter
den Buchen, wo die Sonne schien und die Vögel sangen.
Eines Prühlingstages brachte des Nachbars Sohn ihm
aueh Feldblumen, und unter diesen war zufällig eine mit
einer Wurzel, die wurde daher in einen Blumentopf gepflanzt
und ans Fenster gestellt, dicht neben dem Bette. — Und die
Blume war mit einer glücklichen Hand gepflanzt, sie wuehs,
trieb neue Schösslinge und hatte jedes Jahr ihre Blumen.
Sie wurde für den kranken Knaben der schönste Garten,
sein kleiner Schatz anf dieser Erde. Er begoss und pflegte
sis und sorgte dafür, dass sie jeden Sonnenstrahl bekam bis
auf den allerletzten, der an dem niedrigen Penster vorbei-
glitt. Und die Blume selbst wuchs in seine Träume hinein
mit ihren Parben und ihrem Dufte, — gegen sie wandte er
sich im Sterben, als ihn der liebe Gott zu sich rief. — Ein Jahr
ist er jetzt bei Gott, ein Jahr hat die Blume verwelkt und
vergessen am Penster gestanden, und nun ist sie beim Um—
zuge mit dem Kehrichte auf die Strasse geworfen worden.
Und diese Blume hat mehr erfreut als die reichste
Blume im Garten einer Königin.
Andersen.
5. Auf der Erde.
1. Wie ist doch die Erde so schön, so schön!
Das wissen die Vögelein;
sie heben ihr leichtes Gesieder
und singen so fröhliche Lieder
in den blauen Himmel hinein.