Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

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Beigefügt war ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers. Es lautete: 
„In dankbarer Erinnerung an den mir unvergeßlichen Augenblick, wo 
Sie, schwer verwundet, in Gorze am 19. August 1870 mir eine Rose 
nachsandten, und ich. Sie nicht kennend, an Ihren: Schmerzenslager 
vorübergesahren war, sende ich das beikommende Bild, damit noch in 
späteren Zeiten man wisse, wie Sie in solchem Augenblicke Ihres Königs 
gedachten, und wie dankbar er Ihnen bleibt. 
Weihnachten 1871. 
Wilhelm, Hex. 
22. 12. 71. 
181. Kaiser Milhelm S. am Krankenbette eines deutschen 
Soldaten» Von Richard Cauocmami. 
Gedenkblätter aus dem Heldenkampfe Deutschlands mit Frankreich 1870 und 1871. 
III. Band. Heilbronn 1873. 8. 172. 
®ines Tages durchschritt der edle deutsche Kaiser Wilhelm die Lazarett¬ 
säle zu Versailles, wie er häufig zu tun pflegte. Überall tröstete 
er, und oft war es schon der bloße Anblick seines lieben, freundlichen 
Gesichts, der die armen Verwundeten auf Augenblicke ihre Schmerzen 
vergessen ließ. — So trat er diesmal auch zu der Lagerstätte eines 
jungen, verwundeten Infanteristen. Der war infolge eines Schlaspulvers 
eingeschlummert und hatte sein Album von Gedichten auf dem Bett 
offen liegen lassen. Der König trat leise, um den armen Verwundeten 
nicht zu stören, hinzu, nahm den neben dem Album liegenden Bleistift 
und schrieb die wenigen Worte hinein: 
„Mein Sohn, gedenke deines treuen Königs! 
Wilhelm." 
Der Soldat erwachte, und reiche Tränen perlten ihn: beim Anblicke 
dieser Zeilen aus den Augen. 
Wenige Tage darauf besuchte der Kaiser wiederum das Lazarett 
und trat sofort auf unsern Infanteristen zu, drückte ihm freundlich die 
Hand und tröstete ihn. Dieser war jedoch schon vom Tod als sichere 
Beute erlesen worden; wachsbleich, mit halbgebrochenen Augen starrte 
er ins Leere. Kaum hatte er aber seinen König erkannt, als er sich 
auch mit der letzten Kraft seines Körpers emporrichtete, den König mit 
leuchtenden Augen anblickte und sagte: „Majestät, ich werde Ihrer ewig 
gedenken, auch dort oben — Amen." Der Verwundete sank ermattet 
zurück, und ein leises Röcheln verkündete, daß er ausgelitten hatte. — 
Der Kaiser trat herbei, drückte ihm die Augen sanft zu, und eine Träne 
rollte dem greisen Fürsten in seinen weißen Bart.
	        
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