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(1825—55) auf den Thron gekommen, ber die Verlegenheit des Sultans benutzen wollte,
Rußlands Macht auf Kosten der Türkei zu mehren. Er ließ die Moldau und Walachei
besetzen, seinen General Dieb Usch den Balkan überschreiten, der bald darauf Adria-
nopel einnahm. Fast zu gleicher Zeit hatte ber russische General Paskikwitsch in
Asien die Hauptstadt Armeniens, Erzerum, und Trapezunt erobert und traf Vorbe¬
reitungen, weiter in das innere Kleinasien vorzudringen. In solcher Lage verstand sich
1829 der Sultan zum Frieden zu Adrianopel im Jahre 1829. Er mußte an Rußland
die Schutzherrlichkeit über die Moldau und Walachei abgeben, ihm freie Schiffahrt auf
dem schwarzen Meere sowie die Durchfahrt durch den Bosporus und die Straße der
Dardanellen für russische Handelsschiffe zubilligen und die Unabhängigkeit Griechen-
lands anerkennen.
Die Regelung der griechischen Angelegenheiten nahmen nun Rußland, England
und Frankreich in die Hand. Nach vielen Wirren und inneren Kämpfen wurde Otto
von Bayern, der zweite Sohn des philhellenischen Bayernkönigs Ludwig I., König
von Griechenland (1837—62). Als dieser durch einen Militäraufstand des Thrones
entsetzt wurde, wählten die Griechen Georg I., Sohn des Königs Christian IX. von
Dänemark, zu ihrem Könige.
b) Di- Jnlirevolntion 1830 und die Februarrevolution 1848 in Frank¬
reich und ihre Wirkungen.
. Die Julirevolution in Paris und der Sturz der Bourbonen 1830. In
Frankreich herrschten unter dem wohlwollenden König Ludwig XVIII. (1814 — 24)
arge Parteikämpse zwischen den königlich Gesinnten (Royalisten), den Republikanern und
den Anhängern Napoleons. Das Streben der Royalisten, die Zustände vor 1789
wiederherzustellen, rief im Volke große Erregung hervor, zumal der König dieser Partei
gegenüber völlig machtlos war und es nicht hindern konnte, daß die heftigsten Ber-
folgungen über die „Königsmörder", der auch der General Ney zum Opfer fiel, er-
gingen. Des Königs Bruder, der Graf von Art vis, war von tiefem Haß gegen alle
Neuerungen erfüllt, und als er seinem Bruder als Karl X. (1824—30) in der Re¬
gierung folgte, suchte er Frankreich aus die alten Zustände, zum ancien regime, zurück¬
zuführen. Nun wuchs aber der Widerstand im Volke bedenklich, die „Liberalen" ge-
wannen den größten Anhang und ließen sich auch nicht durch den kriegerischen Erfolg
der Eroberung des Seeräuberstaates Algier (1830) beschwichtigen. Da wurde Karl X.
durch seinen Minister Polignac bewogen, durch verfassungswidrige Erlasse (Ordonnanzen)
die gesetzliche Preßfreiheit zu beschränken und das Wahlrecht zu Gunsten der Reichen
und Vornehmen abzuändern, und sogleich brach am 27. Juli 1830 ein Aufstand des
1830 Volkes in Paris aus, das im dreitägigen Barrikadenkampf die königlichen Truppen
Besiegte. Karl der X. mußte abdanken und ging mit seiner Familie nach England; an
seiner Stelle wurde Ludwig Philipp von Orleans, der Sohn Egalites, als „König
der Franzosen" auf den Thron erhoben, nachdem er die Verfassung beschworen und die
Trikolore (die dreifarbige, weiß-rot-blaue Nationalfahne) angenommen hatte.
Die Wirkungen der Julirevolution autzerhalb Frankreichs. Die Ereignisse der
„großen Woche" zündeten namentlich in Belgien, in Polen, in der Schweiz und auch
in Deutschland (S. 206). Die Bewohner Belgiens, der ehemaligen österreichischen
Niederlande, waren seit 1815 darüber unzufrieden gewesen, daß sie mit der ehemaligen
Republik der Generalstaaten zu einem Staatsganzen verschmolzen waren. Sie fühlten