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Stiere, denen brennende Reisbündel auf die Hörner
gebunden waren, gegen das Lager der Römer treiben.
Erschreckt flohen diese, und Hannibal brach sich glück¬
lich mit den Seinigen Bahn. Da geschah es, dafs sich
ein Unterfeldherr des Fabius, des langen Zauderns müde,
mit dem Feinde in ein Treffen einliefs. Aber er geriet
in die gröfste Not und wäre geschlagen worden, hätte
ihm nicht Fabius noch zur rechten Zeit Hülfe geschickt.
Die Römer hatten unterdessen Zeit gewonnen, ein gröfseres
Heer zu rüsten, und sahen nun wohl ein, dafs Fabius
sich um das Vaterland verdient gemacht habe. So wurde
der frühere Spottname Cunctator zu einem Ehrennamen.
6. Die Schlacht bei Cannä (216). Für das
nächste Jahr erwartete man die Entscheidungsschlacht.
Die Römer geboten über ein Heer von siebenundachtzig
tausend Mann. An der Spitze desselben standen die beiden
Konsuln Ämilius Paullus und Terentius Varro.
Der besonnene Paullus warnte vor Übereilung, aber
Varro brannte vor Begierde, die frühere Schmach mit
einem einzigen Schlage auszulöschen. Leichtsinnig liefs
er sich an einer für die Römer durchaus ungünstigen
Stelle bei der Stadt Cannä vom Hannibal zu einem Treffen
verlocken. Die Schlacht wurde auf beiden Seiten mit
der gröfsten Tapferkeit geschlagen, aber die Römer
erlitten eine ganz unerhörte Niederlage. Fünfzigtausend
Mann deckten als Leichen das blutige Schlachtfeld, dar¬
unter der Konsul Ämilius Paullus und achtzig Senatoren.
In Rom war die Trauer grofs; es gab kaum ein Haus,
das nicht einen Toten zu beweinen hatte. Dennoch ver¬
loren die Römer den Mut nicht; mit der gröfsten An¬
strengung wurde ein neues Heer ausgerüstet, und ruhig
sah man dem Fortgange des Krieges entgegen.