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ihr Ohr berührte nichts, was nicht geistig war. An den Mau¬
ern dieses Asyls des Schweigens brach sich aller Lärm der
Außenwelt, erstarken alle eitle Regungen des beweglichen Her¬
zens. In ihrer stillen Würde schienen die frommen Männer
wie Wesen aus einer anderen Welt durch das Leben zu gehen.
Einflußreicher und ausgebreiteter waren die Orden der
Franciscaner und Dominicaner, welche beide zu Anfange
des dreizehnten Jahrhunderts gestiftet wurden. Der Stifter des
ersteren war der h. Francislus, der Sohn eines reichen Kauf¬
mannes, im Jahre 1182 zu Assisi in Umbrien geboren. Sein
Vater hatte ihn für den Kaufmannsstand bestimmt, allein der
Jüngling hatte keinen Sinn für die zerstreuenden Geschäfte des
Lebens. Er zog sich immer mehr von der Welt zurück und
hing ernsten Selbstbetrachtungen nach. Einst hörte er in der
Kirche das Evangelium von der Verwerfung aller zeitlichen
Güter lesen. Sein Gemüth ward hievon tief ergriffen. Er
faßte den Entschluß, sein ferneres Leben der geistlichen Selbst-
betrachtung und strengen Bußübungen zu widmen. Und alsbald
gab er dem Vater seine schönen Kleider zurück, legte einen gro¬
ben Bußsack an, umgürtete sich mit einem härenen Strick und
zog von Ort zu Ort, um durch Lehre und Beispiel au Gottes
Gebote zu erinnern. Eine so heldenmüthige Entsagung alles
Lebensgenusses fand Bewunderer und Nachahmer. So entstand
dieser neue Orden, der nach seinem Stifter benannt und vom
Papste bestätigt wurde. Seine Mitglieder verbanden sich, wie
alle Mönchsgcsellschaftcn, zu den drei Gelübden der Armuth, der
Ehelosigkeit und des Gehorsames gegen die Obern. Sie nannten
sich aus Demuth geringere Brüder, fratres minore»,
weshalb sie auch den Namen Minoriten führen. Dieser Or¬
den der Franciscaner verbreitete sich in mehreren Zweigen nach
und nach über alle Länder.
Fast zu gleicher Zeit wurde der Dominicaner- oder
Prediger-Orden gestiftet. Der Stifter desselben ist der h.