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der Menge der Erschlagenen fand man auch des Kaisers Leich¬
nam. Ihm wurde der Kopf abgeschlagen, und derselbe, auf einer
Lanze erhoben, zur Schau herumgetragen.
So erlosch das einst so blühende morgcnländische Kaiser¬
thum, 977 Jahre später als das abendländische, 1058 Jahre
nach der Theilung durch Theodosius, und fast anderthalbtauscud
Jahre nach dem Untergänge der römischen Republik. Coustan-
tin's Stadt wurde fortan Jstambul genannt und zur Haupt¬
stadt des türkischen Reiches gemacht. Die alte Kaiserburg nahm
den siegreichen Sultan in seine Hallen auf. Neue Sitten, neuer
Glaube, neue Gesetze traten an die Stelle der alten. Die
christlichen Kirchen wurden in Moscheen verwandelt, statt des
Kreuzes erhob sich stolz der Halbmond auf den Kuppeln. Zur
größeren Sicherheit der neuen Residenz wurden an beiden Ufern
des Bosporus feste Schlösser, die Dardanellen, gebauet, um
den Durchgang zu überwachen. Im Wonnerausche des Sieges
verkündete der Sultan stolz: so wie nur ein Gott im Himmel,
so solle auch nur ein Herr auf Erden sein! — und zog mit
Heeresmacht aus, den Machtspruch zu vollziehen. Ganz Ser-
vien, Morea und Bosnien erlagen bald seinen Waffen. Erst
bei Belgrad wurde seinem Siegeszuge noch für dieses Mal eine
Grenze gesetzt. — So stand jetzt drohend ein neues furchtbares
Reich dem ganzen übrigen Europa gegenüber, und das Hülfs-
geschrei der Völker, die mit Entsetzen dem weiteren Vordringen
des siegestrunkenen Christenseiudcs entgegensahen, durchtönte
bald die Staaten des ganzen Erdtheiles; in allen Kirchen wurde
der Himmel laut um Rettung angefleht.
Viele gebildete und gelehrte Griechen, denen das Leben
unter türkischer Herrschaft ein Gräuel war, verließen ihr un¬
glückliches Vaterland und flohen scharenweise nach Italien. Sie
fanden, besonders in Florenz, wo das erhabene Fürsten¬
geschlecht der Mediceer alles Große und Schöne ehrte und
förderte, die günstigste Aufnahme. Hier fachten sie das vernach-
läßigte Studium der alten Sprachen wieder an und verbreiteten