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nicht auf sein, sondern auf seiner Vasallen Gebot erschienen sie
gerüstet zum Kampfe. Nun aber waren, die großen Reichs-
vasallcn stets bemüht, ihren Einfluß zu erweitern, ihre Rechte
auszudehnen, die königliche Macht dagegen zu beschränken; und
dieses gelang ihnen nur zu sehr. Der König hing zuletzt ganz
von dem Willen der Großen ab, die als mächtige Herzoge oder
Grafen fast unumschränkt regierten. Die Geschichte des deut¬
schen Volkes drehet sich im ganzen Mittelalter fast immer um
den Kampf der königlichen Macht niit dem Uebermuthe der
Vasallen, die oft mächtiger waren, als der König selbst. Im
Verlaufe der Zeit wurden viele ganz unabhängig, und die Einheit
des Reiches hörte nach und nach aus. .
Das ist der Ursprung des Lchnwesens, das die furchtbare
.Höhe, zu welcher es sich entwickelte.
10. Ausbreitung des Christenthumes unter die Deutschen.
Der heilige ikomfacius (716—755).
Den größten und segensreichsten Einfluß auf den Zustand
Der deutschen Völker hatte das Christenthum. Wie eine leuch¬
tende und wärmende Sonne besiegte es allmälig die kalte Nacht
des Heidenthums. Die Gothen, die Burgunder, die Langobar¬
den und mehrere andere deutsche Völker hatten das Christenthum
angenommen, so wie sie auf ihrer Wanderung mit den Römern
in näheren Verkehr kamen. Bei den Franken war dasselbe seit
Chlodwig's Bekehrung ausgebreitet. Früh wurde der Samen
des Christenthums in den Donaugegenden ausgestreuet, und der
heilige Severinus war der Apostel Norikums, des jetzigen
Oberösterrcichs südlich von der Donau mit den angrenzenden
Theilen von Unterösterreich, Steiermark, Kärnthen, Salzburg und
Bayern. Mitten im wilden Getümmel wandernder Kriegcs-
völker erschien hier um das Jahr 454 der fromme Apostel, den
Gott aus seiner stillen Einöde im Orient gerufen und den be¬
drängten Christen dieser Gegenden zum Schutz und Trost gesendet