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vier Stübchen süße Milch in einem großen Topfe. 
Sie lief und wollte gern: Kauft Milch! am ersten schrei'n; 
„denn — dachte sie — die erste Milch ist teuer. 
„Ich nehme heut', will's Gott, zwölf bare Groschen ein 
„und kaufe mir dafür ein halbes hundert Eier; 
„die bringt mein einzig Huhn mir dann aus einmal ans. 
„Gras stehet rings herum um unser kleines Hans; 
„da werden sie sich schon im Grünen selbst ernähren, 
„die kleinen Küchelchen, die meine Stimme hören. 
„Und, ganz gewiß! der Fuchs muß mir sehr listig sein, 
„läßt er mir nicht so viel, daß ich ein kleines Schwein, 
„nur eins zum wenigsten, dafür eintauschen kann. 
„Wenn ich mich etwa schon im Geiste daraus freue, 
„so denk' ich nur dabei an meinen lieben Mann. 
„Zn mästen kostet es ja nur ein wenig Kleie. — 
„Ist es dann fett gemacht, dann kauf' ich eine Kuh 
„in unsern kleinen Stall, auch wohl ein Kalb dazu; 
„das will ich allemal selbst zu dem Hirten bringen. 
„Wie fröhlich wird es da um seine Mutter springen. 
„Hopp!" — sagt sie und springt auch; und von dem Kopfe fällt 
der Topf mit Milch herab, und ach! ihr bares Geld, 
ihr Kalb und ihre Kuh, Glück, Reichtum und Vergnügen 
sieht sie nun vor sich da in kleinen Scherben liegen. 
Betrübt steht sie dabei, schielt sie barmherzig an. 
„Die schöne weiße Milch —- seufzt sie — ans schwarzer Erde!" - 
weint laut und schleicht nach Haus, erzählt es ihrem Mann, 
der ihr entgegen kommt, mit zitternder Gebärde. 
Was sagte der dazu? — Erst sah er ernsthaft ans, 
als zürnte er auf sie, ging schweigend in das Haus, 
kehrt' aber um und sprach: — „Kind! bau ein andermal 
„nicht Schlösser in die Luft, man bauet seine Qual. 
„Es drehet sich so schnell kein laufend Wagenrad, 
„als sie verschwinden in den Wind. 
„Wir haben alles Glück, was unser Junker hat, 
„wenn wir zufrieden sind." 
20. Thörichtes Murren. 
(Lesebuch für hessische Volksschulen.) 
Es war einmal ein Graf, der wohnte in seinem Schlosse nahe bei 
einem Dorfe. Er hatte ein sehr großes Landgut und hielt viele Knechte
	        
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