Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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Da thränten Ortweinen seine Augen licht; 
Die Kunde ließ auch Herwig unbeweinet nicht. 
Als sie das vernahmen, daß gestorben wäre 
Die Magd von Hegelingen, das belud ihr Herz mit großer Schwere. 
Als sie die Helden beide vor ihr weinen sah, 
Die geraubte Jungfrau sprach zu Ihnen da: 
Ihr gehabt Euch also bei dieser Trauermäre, 
Als ob die edle Gudrun Euch verwandt, Ihr guten Helden, wäre. 
Da sprach König Herwig: „Wohl traur' ich um die Maid, 
Sie ist mein Weib gewesen alle Lebenszeit. 
Sie war mir zugeschworen mit Eiden fest und stäte. 
Nun Hab' ich sie verloren durch des alten Ludwig grimme Räthe." 
„Ich wollt mich betrügen," sprach die arme Magd, 
Von Herwig's Tode war mir oft gesagt: 
Die höchste Wonn' auf Erden sollt' ich in ihm gewinnen; 
Wär' der noch am Leben, so hätt' er längst mich geführt von hinnen." 
Da sprach der edle Ritter: „So seh't meine Hand, 
Ob Ihr das Gold erkennet; Herwig bin ich genannt. 
Mit diesem Mahlschatz sollt' ich Gudruuen minnen: 
Seid Ihr denn meine Gattin, wohlan ich führ' Euch minniglich von hinnen." 
Da sprach die Enkelin Hagen's: „Freude nahet mir, 
Trost und hohe Wonne: ob sie bis morgen hier 
Mich mit Besen schlügen, daran werd' ich nicht sterben, 
Doch die uns so mißhandeln, deren müssen Biele sterben. 
„Nun will ich diese Kleider tragen zu der Fluth, 
Sie sollen wohl erfahren," sprach das Mägdlein gut, 
„Daß ich mich vergleichen dürfe Königinnen, 
Ich werfe sie in's Wasser, daß ich sie lustig fließen seh' von hinnen." 
Aus dem Sagenkreis des lombardischen Volkes sind die Helden¬ 
gedichte von König Rother, König Otnit, von Hug- und Wolf- 
Dietrich erhalten worden. Von allen diesen Poesien sind uns die 
Verfasser völlig unbekannt und es bezeichnen sich diese Dichtungen dadurch 
erst recht eigentlich als ursprüngliches Eigenthum des Volkes. 
Wir gehen nunmehr auf die poetischen Erzählungen der höfischen 
Dichter, auf das Kunstepos über, welches nicht minder in der geschil¬ 
derten Periode seine Blüthezeit erreicht hat. 
Herr Wolfram von Eschenbach, ein armer Ritter aus Franken, 
benützte die Sagen vom heiligen Graal zu einem großen und herr¬ 
lichen Gedichte Parzival, welches der Ausdruck einer tiefen, innigen 
Geistesanschauung ist, voll Reinheit, Adel der Gesinnung und voll tüch¬ 
tiger Charakterfestigkeit. Unter dem heiligen Graal dachte man sich die
	        
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